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"Die Österreicher sind nicht sehr mobil"

Von Petra Medek

Reflexionen

Pharma-Vorstand plädiert für flexiblere Arbeitszeiten. | Keine großen Akquisitionen in Sicht. | "Wiener Zeitung": Warum sitzt Roche mit 800 Mitarbeitern in Österreich und nicht etwa in der Ukraine?


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Beat Kasper: Das hat historische Gründe. Österreich war einer der ersten Sitze von Roche im Ausland, Roche Austria wurde 1907 gegründet. Für Österreich spricht auch, dass wir hier Top-Forscher haben. Der Standort ist für uns nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil der CEO von Roche, Severin Schwan, gebürtiger Tiroler ist. Und Aufsichtsratpräsident Franz Humer ist Salzburger.

Was ist am Standort Österreich verbesserungswürdig?

Wünschenswert wäre mehr Flexibilität im Bereich der Arbeitszeit, etwa bei der Höchstarbeitszeit und Teilzeitmodellen.

Außerdem sind die Österreicher leider nicht sehr mobil, sie lieben ihr Land. Ich würde gern mehr Österreicher in internationalen Positionen sehen. Als innovationsgetriebenes Unternehmen ist Internationalität für uns sehr wichtig.

Der Pharmabereich gilt als eine der bestbezahlten Branchen. Ist gute Entlohnung ausreichend, um die besten Mitarbeiter zu rekrutieren?

Natürlich müssen wir mit unseren Salären konkurrenzfähig sein, aber das allein reicht nicht. Wichtig ist das Arbeitsumfeld. Wir bieten die Motivation, Menschen gesund zu machen.

Hat die Krise in punkto Personal etwas für Roche in Österreich verändert?

Nein, die Forschungsindustrie denkt in langfristigen Zyklen, weil die Erforschung eines Präparates 8 bis 10 Jahre dauert. Durch die Fusionen in der Branche könnte der Arbeitsmarkt vielleicht in Bewegung kommen, derzeit merken wir aber noch nichts.

Hat die Krise für den Konzern etwas verändert? In vielen Bereichen wurden kleine Unternehmen ja zu Übernahmekandidaten.. .

Es ergeben sich vielleicht punktuell Übernahmemöglichkeiten, doch Roche ist nach der Übernahme von Genentech heuer und 2010 in einer Konsolidierungsphase. Wir haben das US-Biotechnologieunternehmen ja erst in der ersten Jahreshälfte für 32 Mrd. Euro übernommen, dies war für uns die größte Übernahme der Firmengeschichte.

Roche ist grundsätzlich offen für kleine strategische Akquisitionen, doch größere sind nicht in Sicht.

Wenn man sich die Konsolidierungswelle in der Pharmabranche anschaut, könnte man meinen, das Motto der Branche lautet "Big is beautiful", und kleine Betriebe hätten mittelfristig gar keine Daseinberechtigung.

Nein, so ist es absolut nicht. Das sieht man an den vielen Forschungskooperationen, die Roche mit kleinen Unternehmen hat. Gemäß unserer Philosophie wird auch die Forschungsabteilung von Genentech erhalten, weil man einfach glaubt, dass kleinere Einheiten effektiver sind.

Was sicher stimmt ist, dass Unternehmen eine kritische Größe überschreiten müssen, um sich den Forschungsaufwand für ein Produkt leisten zu können. Schließlich kostet es rund eine Million Dollar, bis ein pharmazeutisches Produkt in den Regalen steht.

Roche will sich auf den Bereich der sogenannten personalisierten Medizin fokussieren. Diese geht davon aus, dass nicht jedes Medikament bei jedem Patienten gleich wirkungsvoll ist. Wann werden wir eine Medizin ohne Nebenwirkungen erleben?

Nebenwirkungen wird es immer geben. Es gibt keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Unser Ziel ist ein höherer Wirkungsgrad. Ein gutes Beispiel für personalisierte Medizin ist etwa ein Medikament gegen Brustkrebs, das allerdings nur bei 20 Prozent der Patientinnen wirkt. Ein spezieller Test des Arztes klärt in einer frühen Phase ab, ob die Betroffene zu diesen 20 Prozent gehört.

Ein absoluter Kassenschlager war für Roche das Grippemittel Tamiflu. Wie kann man das toppen?

Über die Jahre gerechnet hat Tamiflu nur rund 2 Prozent unserer Umsätze ausgemacht. Dies ist ein Einmalgeschäft, das bei Grippewellen anfällt. Unser Schwerpunkt ist und bleibt die Onkologie, die über 50 Prozent unserer Pharma-Umsätze bringt. Aber natürlich wird es eine Herausforderung, die Erwartungen der Investoren im Jahr nach Tamiflu zu erfüllen.

Wie viel gibt Roche für Forschung aus?

Im vergangenen Jahr wurden 19 Prozent des Umsatzvolumens für Forschung aufgegeben, das bedeutet konzernweit rund 16,2 Millionen Euro pro Tag. Heuer wird sich der Prozentsatz in ähnlicher Höhe bewegen. Damit sind wir das Unternehmen, das am meisten in Forschung investiert.

Wieviel fließt ins Marketing?

Marketing und Distribution machen gemeinsam etwa 17 Prozent aus.

Zur Person

Beat Kasper (60) ist gebürtiger Schweizer. Seine Tätigkeit für den Konzern Roche begann er 1987 im Basler Headquarter als Produktmanager im internationalen Marketing. 1993 übernahm er die Leitung der Pharma-Division für Roche in Chile, von 2001 bis 2008 zeichnete er als Geschäftsführer für Roche Chile verantwortlich. Am 1. Mai 2008 übernahm er die Geschäftsführung von Roche Austria.

Bevor er zu Roche kam, war Kaper unter anderem als Entwicklungshelfer in Kamerun tätig. Kasper ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Zum Unternehmen

Roche mit Hauptsitz in Basel arbeitet in den Sparten Pharma und Diagnostics. Als weltgrößtes Biotech-Unternehmen entwickelt Roche Medikamente für die Onkologie, Virologie, Entzündungs- und Stoffwechselkrankheiten und Erkrankungen des Zentralnervensystems. 2008 beschäftigte Roche weltweit 80.000 Mitarbeiter und erzielte 45,6 Mrd. Franken Umsatz. In Österreich beschäftigt Roche 800 Mitarbeiter in Wien (Vertriebsniederlassung Pharma und Diagnostics) und Graz (Diagnostics).

Siehe auch:Branche, die kaum kränkelt