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Die ÖVP - entfesselt

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die ÖVP will nach der kommenden Wahl den Bundeskanzler stellen. Das ist nicht nur als Partei ihr gutes Recht, sondern angesichts ihrer Stärke, Verwobenheit und Verdienste um die Zweite Republik auch realistisch. Was sich in den vergangenen Wochen in der ÖVP abspielte, war aber, gelinde gesagt, befremdlich. Die Aktionen der Ministerinnen Fekter, Karl und Mikl-Leitner würden in entwickelten Demokratien zum Rücktritt reichen. Alle sind im Amt.

Zuerst beschied Frau Justizministerin Karl nach einer Besenstiel-Penetration eines 14-Jährigen im Gefängnis, "Justizanstalten seien kein Paradies". Dieselbe Frau Karl, die abseits dieser Gefühllosigkeit mit ihrer Weisungsbefugnis für Staatsanwälte der Parteijustiz gefährlich nahe kommt. Fazit: Politischer Missbrauch der Justizbehörden.

Dann Frau Fekter, die eine "Studie des Finanzministeriums" hervorzauberte, in der angeblich 70.000 Jobs den SPÖ-Steuerplänen zum Opfer gefallen sein. Nichts davon ist wahr, der Manager eines darin genannten Unternehmens wehrte sich sogar öffentlich. Eine ÖVP-Wahlkampf-Farce wurde fälschlicherweise als Ministeriums-Studie ausgegeben. Wenn der deutsche Finanzminister Schäuble Vergleichbares in Berlin abgezogen hätte (was auszuschließen ist), wäre er rücktrittsreif. Fazit: Politischer Missbrauch der Finanzbehörden.

Bleibt Frau Mikl-Leitner. Sie hat die Abschiebung der Pakistan-Flüchtlinge der Votivkirche "behübscht", indem sie eine monströse Schlepper-Story daraus machte, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Fazit: Politischer Missbrauch der Polizeibehörden.

In Salzburg zeigt die ÖVP, was sie unter Entpolitisierung und Abschaffung des Proporz versteht: Nur sieben Wochen nach der Angelobung von Wilfried Haslauer gibt es einen neuen Landesschulratspräsidenten - er kommt natürlich aus der Volkspartei. Und in 33 Landesgesellschaften werden knallhart 92 Aufsichtsräte ausgetauscht - 59 "gehören" der ÖVP. Warum eigentlich?

Diese Entfesselung politischer Unkultur ist der Volkspartei unwürdig. Ihr Abgeordneter Michael Ikrath verlangt ein verlässliches Rechtssystem, doch allein diese Beispiele sind das Gegenteil von verlässlich. Sie offenbaren bloß jene rüde Machtpolitik, die immer mehr Menschen abstößt und sie der Politik verleidet. "Für Österreich", heißt es im Wahlprogramm der Volkspartei. Schön wär’s.