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Die ÖVP hebt den 10-Prozent-Deckel

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Ausbau der Neuen Mittelschule, aber Gymnasium bleibt. | Mittlere Reife vor Oberstufe Pflicht. | SPÖ begrüßt den Schritt, Opposition reagiert gemischt. | Wien. "Die Mittelschule kommt, das Gymnasium bleibt", so skizzierte ÖVP-Chef Josef Pröll am Freitag das neue Bildungskonzept der Volkspartei. Kernpunkt des mit Spannung erwarteten Papiers ist der flächendeckende Ausbau der Neuen Mittelschule (NMS), wogegen sich die ÖVP bisher gewehrt hat, bei gleichzeitiger Beibehaltung der AHS-Unterstufe. | Karl will Schmied rasch überzeugen | Neue Mittelschule und Gymnasium als 'gleichwertige Säulen


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Bisher waren die NMS-Schulversuche auf zehn Prozent der Schulen begrenzt. Nun gibt die ÖVP dem Drängen von Unterrichtsministerin Claudia Schmied und mehreren Landeshauptleuten nach und ist ab dem nächsten Schuljahr zu einer Aufhebung bereit. Damit sollen sämtliche Hauptschulen zu einer NMS aufgewertet werden - vorausgesetzt, die SPÖ garantiert die Erhaltung der AHS-Unterstufe.

Die ÖVP hält also am differenzierten Schulsystem fest, denn "der Einheitsbrei führt zu Nivellierung nach unten", meinte Pröll. Gleichzeitig würden sich die Schultypen aber einander annähern, etwa durch einen gemeinsamen Fächerkanon und Bildungsstandards. Differenzierung wünscht sich die ÖVP auch innerhalb der Schultypen. Hier lautet das Schlagwort: Individualisierung. "Die Schule der Zukunft muss Raum bieten für individuelle Differenzierung und Förderung von Neigung, Eignung und Leistung", erklärte Wissenschaftsministerin Beatrix Karl. Die Individualisierung beginnt für die ÖVP im Kindergarten, wo regelmäßige Sprachstandsfeststellungen durchgeführt werden sollen. Bei Defiziten soll es verpflichtende Programme geben, auch in der Volksschule.

Durchlässigkeit soll gewährleistet sein

Am Ende der Volksschule soll es zusätzlich zum Noten-Zeugnis eine individuelle Bildungsempfehlung geben, wo anhand der Leistungen und Neigungen auch gleich ein bestimmter Schultyp empfohlen werden soll.

In der Mittelstufe sollen der gemeinsame Fächerkanon und Bildungsstandards die Durchlässigkeit zwischen Mittelschule und Gymnasium gewährleisten. Dass die AHS-Unterstufe trotzdem erhalten bleiben soll, erklärt Pröll mit dem Hinweis, dass im Gymnasium die Lehrpläne auf acht Jahre ausgerichtet seien und es zum Teil schon in der dritten Klasse etwa Französischunterricht gebe.

Die Mittelstufe soll von allen Schülern mit der Mittleren Reife abgeschlossen werden. Diese ist die Voraussetzung für den Besuch einer Oberstufe. Wer diese Prüfung nicht besteht, kann an eine Polytechnische oder Berufsbildende Mittlere Schule gehen.

"Ein Signal an den Koalitionspartner"

Ausbauen will die ÖVP auch die ganztägige Betreuung und die Schulautonomie. Unter dem Schlagwort "Mut zur Elite" sollen auch hochbegabte Kinder vermehrt gefördert werden.

Vermehrt in die Pflicht nehmen will die Volkspartei die Eltern. Diese seien hauptverantwortlich für Erziehung und Ausbildung der Kinder. Die Schule könne dabei lediglich helfen, so Pröll. Deutlich gemacht werden soll das in einer noch zu definierenden Bildungsvereinbarung zwischen Eltern und Schulen.

ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger sieht im neuen ÖVP-Bildungskonzept ein "Signal an den Koalitionspartner, gemeinsam zu arbeiten und Reformschritte zu setzen". Man habe gemeinsam die Krise gemeistert, jetzt gelte es, auch in der Bildung "ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen".

Diese Hoffnung ist nicht unbegründet, zeigte sich die SPÖ in ersten Reaktionen doch zufrieden mit dem neuen ÖVP-Konzept. Bildungsministerin Schmied fand es zwar "schade, dass es nicht den großen Wurf gibt", erklärte aber auch, die Ausweitung der NMS sei "ein ermutigendes Signal des Koalitionspartners." Schmied weiter: "Die bisherige AHS kann natürlich bleiben, wenn sich die Eltern dafür entscheiden." Jetzt komme endlich Schwung in die Bildungsreform. Sie werde sich in Kürze mit Beatrix Karl diesbezüglich zusammensetzen.

Gemischte Reaktionen in den Ländern

Gemischt fiel die Reaktion der Länder auf das neue ÖVP-Konzept aus. Während mehrheitlich - vor allem in den ÖVP-regierten Ländern - lobende Worte fielen, kam aus Wien und der Steiermark Kritik. Man sehe "keine Bewegung bei der ÖVP", meinte etwa Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ).

Auch die Opposition reagierte höchst gemischt auf das neue ÖVP-Konzept. Die FPÖ bejubelte die "Rettung des Gymnasiums". Auch eine Mittlere Reife könne ein sinnvoller Beitrag zur Aufwertung der Hauptschulen sein, erklärte Bildungssprecher Walter Rosenkranz. BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner meinte hingegen, "die Umbenennung der Hauptschulen in Neue Mittelschule allein ist zu wenig". Auch für ihren grünen Kollegen Harald Walser verkauft die Volkspartei "alten Wein in neuen Schläuchen".