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Die Ozeane werden sauer

Von Heiner Boberski

Wissen
Eine Feuerkoralle - Korallen leiden besonders bei Übersäuerung von Meerwasser.
© wikimedia

Erhöhte Kohlendioxid-Emissionen in der Atmosphäre lassen pH-Werte sinken.


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Wien/London. Der pH-Wert, das Maß für den sauren oder basischen Charakter einer wässrigen Lösung, ist in den Weltmeeren deutlich im Sinken. Das ist eine Folge der erhöhten Kohlendioxid-Emissionen in der Atmosphäre, die zu gut einem Viertel von den Ozeanen aufgenommen werden und dort zu Kohlensäurebildung führen. Experten schätzen, dass der ph-Wert der Meere bis 2050 um 0,26 Prozent unter dem vorindustriellen Wert sinken wird.

Werden die Ozeane saurer, so wirkt sich das auf marine Ökosysteme aus, meinen Forscher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven im Fachblatt "Nature Climate Change". Astrid Wittmann und Hans-Otto Pörtner haben 167 wissenschaftliche Studien ausgewertet, in denen 153 verschiedene Arten betrachtet worden sind. Das Resultat: Langfristig zeichnet sich eine Veränderung der Artenzusammensetzung in den Weltmeeren ab.

Auch der Wiener Meeresbiologe Gerhard Herndl rechnet im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" damit, dass sich die sinkenden pH-Werte auf die Meeresbewohner auswirken werden: "Das wird dazu führen, dass gewisse Organismen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sind, im Wesentlichen alle Kalkschalen produzierenden Organismen wie Korallen oder Muscheln." Auch die Auswertung der AWI-Forscher ergab, dass bei den Wirbellosen vor allem Korallen, Weichtiere und Stachelhäuter, wie Seesterne oder Seeigel, unter der Versauerung leiden. Robuster scheinen Krebstiere und Fische zu sein, doch auch bei Larven von Fischen wurden empfindliche Reaktionen auf die gesunkenen pH-Werte beobachtet. Während etwa Fische sinkende pH-Werte in ihrem Blut wieder ausgleichen können, sind Korallen nicht in der Lage, erhöhte Kohlendioxid-Werte zu kompensieren, was zum Beispiel die Kalkbildung beeinträchtigt.

Zum Vergleich mit ihren Daten zogen die deutschen Forscher die Massensterben von Arten vor 250 Millionen und 55 Millionen Jahren heran. Auch damals gab es hohe Kohlendioxid-Konzentrationen und ein Verschwinden der Korallen, während sich die Fische anpassen konnten. Herndl verweist aber darauf, dass damals plötzliche Naturkatastrophen eintraten: "Man muss davon ausgehen, dass sich der pH-Wert damals rascher verändert hat als heute. Jetzt haben wir eine kontinuierliche Änderung." Insofern bestünde auch für Korallen, zumindest für etliche Arten, durchaus die Möglichkeit, sich von einer Generation zur nächsten an Veränderungen anzupassen.

Noch viel zu erforschen

Dass es hier noch viel zu erforschen gibt, deutet Hans-Otto Pörtner an: "Nicht alle Effekte, die wir derzeit messen, sind möglicherweise langfristig für das Schicksal einer Art entscheidend."

Generell könne man davon ausgehen, dass sich das Artenspektrum etwas verändern werde, sagt Herndl mit Blick auf die Versauerung der Ozeane, er erwartet aber in naher Zukunft keine allzu dramatischen Veränderungen: "Man sollte die Anpassungsfähigkeit von Organismen an diese langsam sinkenden pH-Werte nicht außer Acht lassen. Das hat natürlich irgendwann Grenzen, aber ich würde bezweifeln, dass alle Arten, die Kalkschalen bilden, ausgelöscht werden."

Die weitere Entwicklung sei deshalb schwer nachzuvollziehen, so Herndl, da dabei viele Faktoren eine Rolle spielen: "Wir haben einerseits das Sinken des pH-Werts, anderseits das Steigen der Temperaturen im Ozean, Organismen, die früher mehr in subtropischen Regionen lebten, wandern nordwärts. Es gibt eine Verschachtelung von Phänomenen. Beides führt zu Veränderungen im Artenspektrum."