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Als der Wald verschwunden war, passten sich die Insulaner an.
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Berlin. Mit dieser Insel konnte etwas nicht stimmen, wunderte sich bereits Jakob Roggeveen. Der Niederländer landete zu Ostern 1722 als erster Europäer auf dem Eiland im Südpazifik, das er gleich nach diesem Fest benannte. Ein halbes Jahrhundert später notierte der Brite James Cook in sein Logbuch, dass kaum eine Insel weniger Erfrischungen als die Osterinsel biete: Statt dichter, subtropischer Wälder betraten die Europäer eine karge Steppenlandschaft, in der es weder Bäume noch Bäche gab.
Dabei regnet es reichlich, und im warmen Klima der Subtropen sollten dichte Wälder wachsen. Weshalb diese Bäume lange vor der Ankunft der Europäer verschwanden und wie die auf der Osterinsel lebenden Polynesier diesen Verlust verkrafteten, darüber wurde schon viel spekuliert. Ein wenig Licht in das Gestrüpp diverser Theorien bringen Hans-Rudolf Bork und Andreas Mieth von der Universität in Kiel, die in Zusammenarbeit mit internationalen Forschern, darunter Chris Stevenson von der Virginia Commonwealth University, mit ihren Ausgrabungen die Landwirtschaft der Polynesier rekonstruieren.
"Lange vor Ankunft der Europäer veränderte sich die Umwelt der Osterinsel bereits dramatisch", erklärt Bork. Das Eiland war nicht immer so karg wie im 18. Jahrhundert. Was aber war auf der Insel geschehen?
Als die Polynesier mit ihren Kanus über die Südsee auf die Osterinsel kamen, fanden sie tatsächlich einen dichten Wald. Neben einer Reihe weiterer Arten wuchs dort vor allem eine der Honigpalme Jubaea chilensis ähnliche Pflanze, die in Chile wächst. "Die Strömungen des Pazifiks können die drei bis vier Zentimeter großen Nüsse dieser Palme auf die Osterinsel geschwemmt haben", so Bork. Dort wuchsen sie gemeinsam mit anderen Pflanzen zu dichten Urwäldern.
Jared Diamond von der University of California spekulierte 2005, die Polynesier hätten diesen Wald vernichtet, als ihre stark wachsende Bevölkerung mehr Ackerland brauchte. Daraufhin hätte der starke Regen mit dem ungeschützten Boden auch die Nahrungsgrundlage der Menschen weggeschwemmt. Die Menschen hätten sich so ihrer eigenen Lebensgrundlage beraubt, die Bevölkerung kollabierte.
Die Schuldfrage
Terry Hunt von der Universität von Hawaii vermutet eine andere Ursache für die Entwaldung. Die Polynesier hätten Hühner und die Pazifische Ratte als Nutztiere mitgebracht. Die Nagetiere aber hätten sich explosionsartig vermehrt und die kleinen Nüsse der Palmen gefressen und damit auch die Wälder vernichtet.
Die Kieler Forscher kommen zu folgendem Schluss: "In Chile vernichten die Nagetiere den Nachwuchs der sehr ähnlichen Honigpalmen ja auch nicht", so Bork. Wichtiger als dieses Argument sind aber die Ausgrabungen: An gerade einmal zehn Prozent aller gefundenen Palm-Nüsse fanden sich Nagespuren der Ratte. Damit können die Tiere kaum die Hauptschuld tragen.
Das hätten die Menschen schon selbst besorgt. Bork hat die Reste der einstigen Wälder ausgegraben. Immer wieder findet er im Untergrund Röhren, in denen Wurzeln der Palmen wuchsen. Von den Stämmen entdeckte er aber keine Reste. Ein Blick auf die Kochgewohnheiten der Polynesier und auf die chilenische Honigpalme erklärt dies. In Chile werden von den geschlagenen Palmstämmen Scheiben abgeschnitten, aus denen ein süßer, schmackhafter Saft fließt. Die Baumscheiben verrotten sehr schnell.
Nach und nach schwemmte die Erosion den fruchtbaren Boden ins Meer, die Äcker verarmten. Die Menschen aber legten 1,1 Milliarden faustgroße Lavasteine auf ihre Felder. Jetzt prasselte der Regen nicht mehr auf die nackte Erde, sondern meist auf die Steine und die Erosion stoppte. Gleichzeitig verringerten die Steine Temperaturschwankungen und speicherten Wasser. Zwischen den Steinen konnten die Nutzpflanzen weiter wachsen und auch Trockenzeiten überstehen.
Ähnlich urteilte auch das Team um Chris Stevenson im Fachblatt "Pnas". Dieses hat das Alter der einfachen Werkzeuge bestimmt, die damals aus dem Vulkan-Glas Obsidian hergestellt wurden. Dabei findet es Hinweise, dass diese Landwirtschaft zwar ebenfalls an ihre Grenze stieß, das aber in verschiedenen Teilen der Insel zu unterschiedlichen Zeiten geschah. Offensichtlich mussten die Polynesier aufgrund unterschiedlicher Regenverhältnisse auf der Insel herbe Rückschläge in Kauf nehmen, konnten mit den Steinen aber Schlimmeres verhindern. "Mit ‚Kollaps‘ lassen sich diese über zwei Jahrhunderte dauernden Veränderungen in verschiedenen Regionen also kaum beschreiben", meint Thegn Ladefoged von der University of Auckland.