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Oft ist ja der Wunsch der Vater des Gedankens, vor allem bei Politikern. So dürfte es auch bei US-Präsident Joe Biden gewesen sein, als er in einem TV-Interview die Corona-Pandemie für beendet erklärte. "Die Pandemie ist vorbei, aber wir haben immer noch ein Problem mit Covid", sagte Biden in einem Interview in Detroit. Und verwies auf die Situation des Interviews: "Wie Sie sehen, trägt hier niemand eine Maske. Alle scheinen in ziemlich guter Verfassung zu sein. Ich glaube also, dass sich die Situation ändert, und ich denke, dies ist ein perfektes Beispiel dafür." Sieht man sich die TV-Übertragung zum Begräbnis der Queen an, könnte man ihm zustimmen: Eine Maske trug dort tatsächlich niemand, obwohl die Kirche eng besetzt war.
Dass die Krankheit weiterhin jeden Tag mehrere tausend Menschen das Leben kostet, sieht man natürlich nicht. Es ist nur eine Zahl, die wir nicht mehr im Bewusstsein haben. Wir haben die schweren Fälle längst aus unserer Wahrnehmung verdrängt. Sie sind sozusagen der Kollateralschaden, den die Gesellschaft für die Normalität zahlt. Die Normalität, für die es wohl objektiv betrachtet noch zu früh ist, wie der Winter zeigen wird. Aussagen wie jene des US-Präsidenten sind dabei nicht hilfreich, bei allem Verständnis dafür, dass wir uns alle aus tiefstem Herzen wünschen, dass er recht hat. Dabei wäre eine fundierte Prognose, wann denn nun tatsächlich mit Besserung zu rechnen ist, hilfreicher. Weiß es niemand? Oder ist sie so ungünstig, dass man sie lieber nicht öffentlich ausspricht?