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Die Papierindustrie läuft Sturm

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Die Papierindustrie ist auf den Barrikaden. Das Ökostromgesetz und die Einspeiseverordnung sei diskriminierend und wirtschaftlich bedrohlich. Daher wollen die Papierhersteller das Gesetz beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) anfechten. Der Streitpunkt: Industrieanlagen, die selbst auf ökologische Art - Biomassefeuerung und in KWK-Anlagen - Strom und Wärme erzeugen, sind von den Förderungen so gut wie ausgeschlossen. Damit sei das Gesetz eine neue Förderschiene einzig für Energieversorger und Waldbesitzer. Außerdem fürchtet die Industrie ein Ansteigen der Rohstoffpreise um 20 bis 30%.


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Die Empörung über das "wirtschaftsfeindliche und diskriminierende" Ökostromgesetz vereinigt die Papiererzeuger. Egal ob SCA Laakirchen, UPM-Kymmene Steyrermühl, Mayr-Melnhof, Sappi Gratkorn oder Smurfit Nettingsdorfer - sie alle wollen die seit 1. Jänner geltende Regelung so schnell wie möglich zum Kippen bringen.

Gründe für die Verärgerung sind die hohen Einspeisetarife für Strom aus Biomasse und die ungleiche Behandlung der Anlagen von Energieversorgungsunternehmen (EVU) und der Industrie. Während jene, die den Strom ins öffentliche Netz einspeisen - also EVU, Stadtwerke und Kleinbetreiber - voll an der Förderung mitnaschen können, gehen Industrieanlagen, die hauptsächlich den Eigenbedarf an Strom und Wärme abdecken, leer aus.

Diese Art der unfairen Förderung und Benachteiligung gegenüber den anderen Stromerzeugern widerspreche aber der EU-Richtlinie über Ökoenergie, erklärt Johann Maier, Energieexperte bei Mayr-Melnhof. Dort sei lediglich festgehalten, dass die Erzeugung aus erneuerbarer Energie zu fördern sei. Einschränkungen wie sie für die Industrie geschaffen wurden, gebe es in der EU-Direktive nicht.

Mayr-Melnhof prescht vor

Für Maier ist es unverständlich, dass künftig Kleinanlagen mit einem Wirkungsgrad zwischen 10 und 30% und Biomassekraftwerke der EVU für den Ökostrom den hohen Einspeisetarif abkassieren dürfen, eine Industrieanlage mit einem Wirkungsgrad von mehr als 80% (sie kann die Wärme das ganze Jahr nutzen) allerdings durch die Finger schaut. "Das Ökostromgesetz hat nichts mit Umweltschutz zu tun, sondern ist lediglich eine Regionalförderung."

Mayr-Melnhof hat den Bau eines größeren Biomassekraftwerkes mit einem Jahresverbrauch von 350.000 Festmeter Holz geplant, will aber nicht auf die Subventionen verzichten. Das Projekt wurde bereits bei der steirischen Landesregierung eingereicht. Es könne jedoch aufgrund des Gesetzes nicht als Öko-Anlage genehmigt werden. Auch die CO2-Reduktion der KWK-Anlage werde voraussichtlich nicht berücksichtigt, da den KWK-Zuschlag nur die alten Anlagen der öffentlichen Hand, nicht aber neue der Industrie einstreifen dürfen. Mayr-Melnhof will sich den Anlassfall zunutze machen. Mit dem ablehnenden Bescheid könne das Gesetz beim VfGH angefochten werden.

"Die Papierindustrie wurde absichtlich von der Ökostromförderung ferngehalten". Ferdinand Fuhrmann, Vorstand der Nettingsdorfer Papierfabrik, hält es für einen kompletten Nonsens, dass der Strom, um förderwürdig zu werden, unbedingt ins öffentliche Netz eingespeist werden muss. "Das kostet viel und bringt nur Leitungsverluste beim Umspannen." Obendrein beklagt er, dass im Ökostromgesetz die Ablauge und der Faserschlamm aus der Zellstofferzeugung nicht als förderbare Brennstoffe anerkannt wurden.

Fuhrmann und seine Kollegen fürchten obendrein, dass die Preise für Holz innerhalb kürzester Zeit rasch steigen - er rechnet mit einem Ansteigen der Marktpreise zwischen 20 und 30%. "Die Papierindustrie nimmt den Forstwirten sämtliche Holzreste und Sekundärprodukte ab, das sind vier Millionen Festmeter pro Jahr. Wenn Biomassestrom so hoch subventioniert wird, ist das Restholz spielend zu überhöhten Preisen absetzbar." Damit entstünde nachhaltiger volkswirtschaftlicher Schaden. Mancher Papiererzeuger überlegt schon, ob sich der Standort Österreich noch rentiert.

Bevor das Ökostromgesetz nicht repariert sei, überlege keine Papierfabrik eine neue Ökoanlage zu bauen, berichtet Helmut Aichhorn, Leiter der Engergieabteilung von SCA Laakirchen. Der Betrieb hat seit 1993 rund 70 Mill. Euro in eine KWK-Anlage, ein Biomassekraftwerk (es wurde gemeinsam mit UPM Steyrermühl errichtet) und ein Kleinwasserkraftwerk investiert. Keine Kilowattstunde wird davon als Ökostrom anerkannt.

Die gleiche KWK-Anlage der Linzstrom AG kassiere die volle Förderung. "Für den zusätzlich bezogenen Strom müssen sogar noch Öko-Zuschläge entrichtet werden." Im Mutterland des SCA-Konzerns Schweden sei dies anders: Dort ist die Industrie von solchen Zuschlägen befreit und bekommt den eigenen grünen Strom gefördert.