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Die Papst-Wahl im Trauerzug

Von Heiner Boberski

Politik

Der Kirchengeschichte ist relativ wenig Menschliches und Allzumenschliches fremd. Einmal fiel sogar, als ein Papst zu Grabe getragen wurde, die Entscheidung über seinen Nachfolger. Ursache war, dass damals Kardinal nicht gleich Kardinal war.


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Es war am 22. April 1073: Der Trauerzug bewegte sich gerade an der Kirche S. Pietro in Vincoli vorbei, als der Kardinal Hugo Candidus das Volk mit einer demagogischen Rede zum Tumult entflammte: Der Mönch und Erzdiakon Hildebrand wird zum Papst ausgerufen. Die primären Papstwähler, die Kardinalbischöfe, sind überrumpelt und machen gute Miene zum bösen Spiel. Auf der Stelle wird der populäre Hildebrand in der genannten Titelkirche als Gregor VII. inthronisiert. "Wie Wahnsinnige haben sie sich auf mich gestürzt und mir keine Gelegenheit zum Sprechen oder zum Überlegen gegeben", hält der Gewählte später schriftlich fest. In die Geschichte ist Gregor als sehr machtbewusster Papst - er zwang Kaiser Heinrich IV. zum berühmten Gang nach Canossa - eingegangen.

Der Hintergrund: 1059 hatte Papst Nikolaus II. das Recht der Papst-Wahl ausschließlich den Kardinalbischöfen übertragen. Dahinter stand die Absicht, die ständigen Einmischungen weltlicher Herrscher und römischer Aristokratenclans abzustellen. Doch die bisher an der Wahl beteiligten übrigen "Kardinäle" - Angehörige des Klerus von Rom - nahmen diese Reform auf die Dauer nicht widerspruchslos hin. Darum wollten sie 1073 einer Wahl zuvorkommen und sofort ihren Kandidaten durchsetzen. In den folgenden Jahrzehnten gab es ein ständiges Tauziehen der Kardinalordnungen um die Papst-Wahl. 1124 wurde ein bereits gewählter Papst mit gezogenem Schwert gezwungen, das Amt seinem Gegenkandidaten zu überlassen. Erst als Papst Alexander III. 1179 alle drei Ordnungen der Kardinäle mit gleichem Stimmrecht zur Papst-Wahl zuließ, kehrte in dieser Beziehung Ruhe ein.

Diese drei Ordnungen heißen bis heute: Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone. Diese Einteilung hat nichts mit dem Weihegrad eines Kardinals zu tun - heute haben in der Regel alle Kardinäle die Bischofs-, zumindest aber die Priesterweihe -, sondern bezieht sich nur darauf, dass er neben seiner sonstigen Funktion eine titelmäßige Position im römischen Klerus innehaben muss. Dabei geht es wirklich nur um den Titel, denn die Kardinäle haben keine Leitungsgewalt in den jeweiligen altehrwürdigen Hauptkirchen und Diakonien, und die praktische kirchliche Arbeit verrichten dort andere Geistliche. Darin klingt aber an, dass der Bischof von Rom - heute nahezu als einziger Bischof der Welt - von seinem Klerus gewählt wird. Die römische Titelkirche des Wiener Kardinals Christoph Schönborn heißt "Gesù Divin Lavoratore" (Jesus, der göttliche Arbeiter).

Die sechs ständigen Kardinalbischöfe (im Rang gleich gestellt sind ihnen zu Kardinälen erhobene Patriarchen katholischer Ostkirchen) sind lang gediente Leiter vatikanischer Behörden, sie sind die Nachfolger der einst Rom umgebenden "suburbikarischen" Bistümer, aus ihrer Mitte wird der Dekan des Kardinalskollegiums, der gleichzeitig Titularbischof von Ostia ist, gewählt: derzeit der Deutsche Joseph Ratzinger. Kurienkardinäle beginnen als Kardinaldiakone und können dann zu Kardinalpriestern oder Kardinalbischöfen aufsteigen. Die meisten Kardinäle sind Kardinalpriester, nämlich die Leiter wichtiger Diözesen in aller Welt. Dem dienstältesten Kardinaldiakon, Kardinalprotodiakon genannt, fällt am Ende eines Konklaves eine ehrenvolle Aufgabe zu: Er darf mit "Habemus papam" der Welt den neuen Pontifex vorstellen.