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Die Partei bin ich

Von Alexander Dworzak

Politik

Angela Merkel, seit 14 Jahren an der Spitze der CDU, wurde mit fast 97 Prozent der Delegiertenstimmen wiedergewählt.


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Köln/Wien. In der Heimat Konrad Adenauers, in Köln, trifft sich noch bis zum heutigen Mittwoch die CDU zum Parteitag. Mehr als 15 Jahre amtierte der erste Kanzler nach Wiedererlangung der Demokratie als Parteichef, bis März 1966. Angela Merkel schickt sich an, diese Marke zu übertreffen. Am Dienstag wurde sie von den mehr als 1000 Delegierten in ihrem Amt bestätigt; sie führt die Christdemokraten bereits seit April 2000. Dient die Kanzlerin die folgende zweijährige Amtsperiode als Parteichefin, hätte sie nicht nur Adenauer, sondern auch Helmut Kohl übertrumpft.

Rekordverdächtig waren die Zustimmungsraten der Delegierten zu Merkel bereits beim vorigen Parteitag. Damals erreichte sie fabelhafte 97,9 Prozent der Stimmen. Diesmal kann die 60-Jährige das Resultat nicht ganz halten und schaffte "nur" 96,7 Prozent. Dass es auch anders geht, erfuhr Merkel 2004: Damals war sie noch Oppositionsführerin, in Berlin regierten Rot und Grün unter Gerhard Schröder. Merkel erhielt vergleichsweise magere 88,4 Prozent. Doch seit sich die Pastorentochter mit dem Sieg bei der Bundestagswahl 2005 an die Spitze der Regierung katapultiert hat, hat sie ungeahnt an Popularität gewonnen. 67 Prozent der Bürger sind laut aktuellem "ARD Deutschlandtrend" mit ihrer Amtsführung zufrieden.

Keine Diskussion um die AfD

Eine CDU ohne Merkel ist bis heute undenkbar, die Partei von "Angies" Wahlerfolgen abhängig. Kontroversen über potenzielle Nachfolger oder die Konkurrenz rechts von der CDU, die mit der Alternative für Deutschland (AfD) erwachsen ist, findet man in Köln vergebens. Merkel, die in der Vergangenheit CDU-Kernthemen wie Atomkraft und Wehrpflicht aufgegeben hatte, zeigte stellenweise gesellschaftspolitisch konservative Flagge: "Geschäftsmäßige Sterbehilfe kommt für uns nicht in Betracht. Auch das Sterben ist ein Teil des Lebens." Während Merkel wie gewohnt wenig spektakulär agierte und ihre Rede großteils vom Zettel las, bemühte sich Julia Klöckner, die Delegierten mitzureißen. "Keine Mutter kann ihrem Kind das bieten, was Krippe bieten kann", soll laut Klöckner SPD-Familienministerin Manuela Schwesig gesagt haben. Dafür hagelte es Pfiffe aus dem Publikum in der Kölner Messe. Klöckner will 2016 Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz werden, sie wurde als eine von fünf Stellvertretern Merkels wiedergewählt.

Die Kanzlerin legte ihr Augenmerk auf die vergangene Woche angelobte Regierung zwischen Linkspartei, Sozialdemokraten und Grünen und warnte vor dem Schreckgespenst Rot-Rot-Grün im Bund. "Ich halte das Verhalten der SPD in Thüringen für eine Bankrotterklärung. Wie viel kleiner will sich die SPD eigentlich noch machen?", sagte Merkel in Anspielung auf die SPD-Juniorrolle. Dass die Sozialdemokraten diese Juniorrolle zuvor unter einer CDU-Ministerpräsidentin übernommen hat, die von Rot-Rot-Grün abgelöst wurde, erwähnte Merkel dabei nicht.

Wenn die Linkspartei in Thüringen gar den Ministerpräsidenten stellt, sei eine Koalition mit SPD und Grünen nach der Bundestagswahl 2017 auch nicht weit, lautet Merkels Drohkulisse. "Uns muss eines klar sein: Nur unsere eigene Stärke, nur eine starke Union wird 2017 Rot-Rot-Grün unmöglich machen", sagte sie beim Parteitag. Derzeit kommen CDU/CSU laut ARD-Umfrage auf 40 Prozent, das rot-grüne Trio erreicht 46 Prozent, und der AfD werden 7 Prozent prognostiziert. Doch ist nicht nur die Wahl, sondern auch eine bundespolitische Zusammenarbeit der drei Parteien aufgrund der linken Positionen (Kuschelkurs mit Russland, Euro-Skepsis, Antizionismus in den eigenen Parlamentarier-Reihen) noch weit entfernt. Dass die Union, wie CSU-Chef Horst Seehofer kürzlich einforderte, 2017 eine absolute Mehrheit schafft, scheint Utopie. Merkels Hoffnungen auf ein Comeback der FDP wirken aber auch nicht realistischer.

Kalte Progression vermindern

Wirtschaftspolitisch hob Merkel den ersten Haushalt ohne neue Schulden seit 46 Jahren hervor. Sofern die Steuern nicht erhöht und keine neuen Schulden gemacht würden, soll auch die sogenannte kalte Progression abgebaut werden. Dabei steigt die Steuerbelastung von Arbeitnehmern, selbst wenn eine Lohnerhöhung lediglich die Inflationsrate ausgleicht. 2,4 Milliarden Euro nimmt der deutsche Fiskus somit zusätzlich 2015 ein; das entspricht rund 0,4 Prozent des Steueraufkommens von 670 Milliarden Euro. Bereits in dieser Legislaturperiode sollen erste Schritte zur Abmilderung der kalten Progression gesetzt werden, versprach Merkel auf Druck der Arbeitnehmer und Wirtschaftsverbände, die signalisierten, notfalls eine Kampfabstimmung zum Thema herbeizuführen. SPD und CSU wollen sich ebenfalls als Steuersenkungspartei profilieren und sitzen Merkel im Nacken. Für sie hat jedoch der ausgeglichene Haushalt Priorität. Auf ein konkretes Umsetzungsdatum ließ sich die Kanzlerin nicht festlegen - Flexibilität à la Merkel.