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"Die Partei stellte sich irgendwie wieder selbst auf"

Von Paul Vécsei

Politik
Staatssekretärin Anneliese Albrecht im Jahr 1981 beim SPÖ-Parteitag. Im Hintergrund Ex-ÖGB-Chef Anton Benya ().
© privat

Zeitzeugin Anneliese Albrecht erinnert sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" an die Ära, als 1945 die SPÖ entstand.


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Wien. Anneliese Albrecht ist 1921 geboren. In der letzten Phase der Ära Kreisky bis 1983 war sie an der Seite von "Happy Peppi" Handelsminister Josef Staribacher dessen Staatssekretärin für Konsumentenschutz. Heute lebt sie zurückgezogen in ihrer Wohnung in Wien-Mariahilf, die sie schon zu Kriegszeiten bewohnte.

Damals trafen sich dort oft illegale Sozialisten, erzählt Albrecht heute. Die Neugründung der alten Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gemeinsam mit den im Untergrund entstandenen Radikalen Sozialisten (RS) als SPÖ im April 1945 war für sie daher "eine formelle. Denn wir hatten immer untereinander Kontakt gehalten". Vom Kriegsende hatte man im Keller des Hauses erfahren. Albrecht: "Da ist einer runtergekommen und hat erzählt, die Soldaten haben auf einmal ganz andere Uniformen an." Das waren die Russen gewesen.

Für die junge Kriegswitwe Albrecht mit zwei Kleinkindern hatte zunächst der Überlebenskampf Priorität. Der Vizekanzler und spätere Bundespräsident Adolf Schärf habe sie mit ihrer Mutter in diesen Tagen mit einem winzigen Dienstauto einmal ein Stück mitgenommen, "damit ich nicht so schwer schleppen muss". Später verhalf er auch zum ersten Job in einem Verlag.

Das politische Leben lief von selbst an. "Die Partei stellte sich irgendwie aus sich selbst auf, ohne große Organisation." Albrecht ist aber gleich am 1. Mai 1945 der neuen SPÖ beigetreten. Jetzt ist sie 70 Jahre lang dabei. Ihr Großvater, der Steinmetz Rudolf Müller, war schon einer der ersten roten Gemeinderäte in Wien gewesen. Die Steinmüllergasse zwischen Ottakring und Dornbach erinnert bis heute an ihn.

Über die Ankunft der Befreier sei man "mit den Genossen glücklich und froh" gewesen. "Es war ein Wiedererstehungsgefühl", erzählt Albrecht, eine Zeit der Sehnsüchte. "Mein Herz hat immer dem Roten Wien der Zeit vor 1934 gehört. Ich habe gehofft, dass dieser Aufbruch und Aufschwung seine Fortsetzung findet." Doch bald sei ihr klar geworden: "Das wiederholt sich nicht."

Albrecht wurde in den folgenden Jahren Redakteurin des "Kleinen Blatt" und schließlich Chefredakteurin der Zeitschrift "Die Frau". Im Parlament brachte sie es zur Stellvertreterin des SPÖ-Klubobmannes. Das war der heutige Bundespräsident Heinz Fischer. Dann setzte Bruno Kreisky den sogenannten "Paukenschlag" und holte vier Frauen als Staatssekretärinnen in die Regierung: Anneliese Albrecht, Johanna Dohnal, Beatrix Eypeltauer und Franziska Fast.

Was Albrecht nach 70 Jahren Wiedererstehung ihrer Partei ins Stammbuch schreiben würde? Die Antwort der Ex-Politikerin: "Linientreue bewährt sich. Sozialismus verlangt dies auch."