Der neue Präsident der USA hielt den US-Bürgern in seiner Antrittsrede vor Augen, wie schlecht es steht. Er sprach viele Probleme an. Eine Analyse der Worte Barack Obamas.
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Die große Gefahr für Barack Obama ist, dass er versuchen wird, es jedem recht zu machen. Begonnen hat er seine Präsidentschaft jedoch nicht allzu überschwänglich, nicht beifallheischend, sondern indem er den Menschen auch Dinge sagte, die sie nicht so gern hören.
Der neue Präsident der USA hielt den US-Bürgern in seiner Antrittsrede vor Augen, wie schlecht es steht. Nicht von sonnigen Aussichten war die Rede, sondern von Gewitterwolken und hereinbrechenden Stürmen. Teilweise sei das auch die eigene Schuld, sagte Obama, denn die Wirtschaftskrise sei nicht nur aus der Gier und Verantwortungslosigkeit einiger entstanden, sondern aus dem allgemeinen Versäumnis, rechtzeitig auch unpopuläre Maßnahmen zu setzen und die USA auf das neue Zeitalter vorzubereiten.
Obama schien in seiner Rede indirekt den Satz "Wir sind dem Feind begegnet und er ist wir" angesprochen zu haben. In gewisser Weise sind die USA ein unreifes Land. US-Bürger wollen Dinge, die im Widerspruch zueinander stehen: Sie wollen niedrige Steuern und hohe Leistungen, ein ausgeglichenes Budget und mehr Ausgaben für Soziales. Wir wollen Fortschritt, aber nur wenn er nicht den Status quo in Frage stellt.
Obama bricht mit dieser Politik der Unbeweglichkeit: "Die Zeit der Unveränderlichkeit, des Wegschiebens von unangenehmen Entscheidungen - diese Zeit ist nun mit Sicherheit vorbei." Die Antrittsrede Obamas bestätigte, dass der neue US-Präsident es ernst meint mit dem Gestalten einer neuen Politik.
Ähnlich unverblümt - nackte Wirklichkeit statt netter Verzierungen - ist auch die Botschaft Obamas an die Welt: Einen neuen Zugang will die Regierung Obama zur muslimischen Welt, basierend auf gemeinsamen Interessen und gegenseitigem Respekt.
Das waren genau die richtigen Worte. Obama kündigt damit keine Präsidentschaft des Süßholzraspelns und ständiger Mediationsversuche an, die USA werden nicht "Kumbaya" am globalen Lagerfeuer singen, sondern Dialoge über reale Interessen führen. Das ist die Sprache, die man auch in Damaskus und Teheran versteht. Das ist der richtige Ausgangspunkt.
Obama fordert die Prahler und Großsprecher im Nahen Osten heraus, diejenigen, die lieber töten, als ihr Gesicht zu verlieren: "Ihr werdet danach beurteilt werden, was ihr aufbauen, nicht was ihr zerstören könnt." Das trifft ins tiefste Innere des politisches Übels im Nahen Osten, das heute Araber und Israelis im gleichen Maße plagt. Auch für die korrupten Oligarchen "auf der falschen Seite der Geschichte" bietet Obama einen Ausweg an: "Wir strecken unsere Hand aus, wenn ihr eure Faust öffnet."
Und auch für Terroristen, die die USA bedrohen, "für diejenigen, die ihre Ziele durch Terror und die Ermordung Unschuldiger erreichen wollen," und die glauben, dass seine Wahl ein Zeichen für Weichheit und Schwäche sei, sowie für Menschen, die davon überzeugt sind, dass der dekadente Westen auf der Verliererstraße ist und sie die Sieger sind, hat Obama eine Botschaft: "Unsere Entschlossenheit ist stärker, ihr könnt sie nicht brechen, wir werden euch besiegen."
Obamas Antrittsrede erinnert an die Reden von frühen Präsidenten der USA. Er hat einfach die Wahrheit gesagt, auch die weniger erfreulichen Teile: wo die USA stehen und wohin sie sich bewegen müssen. Klarer und einfacher hätte er es nicht sagen können. Es war einfach perfekt.
Übersetzung: Redaktion