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Noch nie war die Terror-Bedrohung so fern und doch so nah.
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Wien. Das Innenministerium hat am Freitag, zwei Tage vor dem Tag der Offenen Tür am Nationalfeiertag, einen Brief an alle Polizistinnen und Polizisten versendet. Darin werden diese aufgefordert, verstärkt auf die eigene Sicherheit zu achten. Das erfuhr die "Wiener Zeitung" aus Polizeikreisen. Hintergrund sind die Terroranschläge auf das kanadische Parlament, bei dem ein Soldat erschossen wurde, sowie eine Axt-Attacke auf mehrere Polizisten in der New Yorker U-Bahn. In beiden Fällen wird ein islamistischer Hintergrund vermutet.
Der Brief soll daran erinnern, dass Polizisten in ihrer Arbeitskleidung exponiert sind und Zielscheibe für wahllose Angriffe sein können. Zu solchen Attacken haben führende Vertreter der Terrororganisation "Islamischer Staat" wiederholt aufgerufen. Bereits 2011 tötete ein Islamist am Flughafen Frankfurt zwei US-Soldaten, auf die er zufällig beim Schnorren einer Zigarette gestoßen war. Es war das bisher einzige Attentat mit islamistischem Hintergrund im Nachbarland.
Nicht in Nato, aber in Anti-IS-Allianz
Das Bundesheer hat bisher keinen gleichlautenden Brief verfasst. "Das Heeresnachrichtenamt beobachtet alle Tendenzen und setzt die notwendigen Maßnahmen", erklärt ein Sprecher. Bei den bisherigen Attentaten habe es stets Soldaten aus Nato-Ländern getroffen, die sich am Kampf gegen die Extremisten beteiligen.
Österreich ist nicht Teil der Nato, aber sehr wohl Mitglied der Allianz gegen den IS-Terror. Außerdem sind - relativ zur Bevölkerung - sogar mehr heimische als kanadische "Foreign Fighters" in den Kampfgebieten der IS oder aus diesen wieder zurückgekehrt. Von diesen geht ständige Bedrohung aus. Vor diesem Hintergrund "aktualisieren wir die Sicherheitslage täglich", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. "Ereignisse wie in New York und Kanada fließen in unsere Beurteilung ein."
"Auch in Kanada war es ruhig"
Laut Grundböck "fußen die Maßnahmen beim Nationalfeiertag auf dieser Lagebeurteilung". Große Veränderungen seien nicht geplant, es könne aber "da und dort Anpassungen an die aktuelle Lage" geben. Es ist eine für die Sicherheitskräfte neue Situation. "Wir spüren keine Bedrohung oder konkrete Gefahr. Doch gleichzeitig scheint mir die Bedrohung so stark wie seit Jahrzehnten nicht. In Kanada war die Lage vor dem Attentat wie bei uns. Es war genauso ruhig", sagt ein Polizeibeamter. Es gebe deutlich mehr Hinweise aus der Bevölkerung. "Jeder sieht einen Verdächtigen." Neu im Vergleich zu den Briefbomben, dem Opec-Attentat oder den Anschlägen von Eber-gassing ist die "Wahllosigkeit der möglichen Opfer", analysiert Grundböck. "Es ist die perfideste Terrorstrategie, weil sie nicht gegen ein konkretes Ziel oder eine konkrete Person gerichtet ist."
Der Verfassungsschutz, der hier an vorderster Front steht, hat sein Personal für Ermittlungen gegen potenzielle Dschihadisten bereits um 20 Personen aufgestockt. Gleich geblieben ist die Zahl der Personen- und Objektschützer, die Politiker und Gebäude wie das Parlament beschützen - manche ständig, manche temporär. Die Einsatzkräfte haben ihre Aufmerksamkeit verstärkt. "Je mehr Polizisten, desto sicherer, diese Rechnung ist zu einfach", sagt Grundböck. Es geht um Expertise und Strategien.
Politiker zum Angreifen - zwischen Café und Parlament
Kanada war bisher bekannt für seine Offenheit und Lockerheit - vor allem im Vergleich zu den USA. Doch auch in Österreich trifft man Politiker ohne Personenschutz auf dem Weg ins Café Landtmann. Ein sympathisches und selbstbewusstes Auftreten des offiziellen Österreichs, das zum einen mit der Sicherheit im Land, aber auch mit den Kosten für umfassende Bewachung zu tun hat. Diese Entspanntheit wird mit jedem weiteren Islamisten- Attentat irgendwo auf der Welt auf die Probe gestellt werden.