Personalchefs lesen die fachliche Kompetenz eines Bewerbers aus dessen Zeugnissen und bisherigen Leistungen - und in letzter Zeit auch zunehmend aus computergestützten Persönlichkeitstests. Die psychologischen Eignungstests sollen Fehlbesetzungen vermeiden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Sind Sie eher gesellig, hilfsbereit, unabhängig oder sanft? Wenn Sie 500.000 Euro geschenkt bekämen, würden Sie gerne eine Kunstsammlung erwerben, eine Weltreise machen oder einen Teil für wohltätige Zwecke spenden? Seit kurzem haben Bewerber in Vorstellungsgesprächen solche Fragen zu beantworten. Bereits 7,8% der österreichischen Unternehmen setzen auf computergestützte Potenzialanalysen bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter.
Insights MDI ist eines dieser Analysesysteme. Die Profile zeigen, wie sich Menschen in bestimmten Arbeits- und Stresssituationen verhalten, wie sie im Team agieren und welche soziale Rolle sie spielen. Sie geben Einblick in die Wertestruktur und beleuchten persönliche Antriebssysteme.
Das Aufzeigen von Persönlichkeitsmerkmalen ist durchaus sinnvoll. Eigenschaften wie Lernfähigkeit oder Leistungsmotivation sind weitgehend stabil und eine gute Basis für beruflichen Erfolg, meinen Experten. "Seriöse Verfahren sind wissenschaftlich überprüft," betont Martina Frebort, Psychologin von der Test- und Beratungsstelle des Arbeitsbereichs Psychologische Diagnostik an der Fakultät für Psychologie Wien.
"Insights MDI ist ein Anbieter wie viele andere auch, über deren Qualität kann man aber als Fachmann kaum etwas sagen, weil sie sich nicht der wissenschaftlichen Fachwelt stellen," sagt der Leiter des Arbeitsbereichs Psychologische Diagnostik Klaus D. Kubinger.
Der Lizenznehmer von Insights MDI in Österreich, A. F. Eber, entgegnet mit einem wissenschaftlichen Gutachten der Uni München, in dem dieses Instrument positiv beurteilt wird.
Die richtige Mitarbeiterauswahl ist entscheidend für den unternehmerischen und persönlichen Erfolg. Fehlentscheidungen kosten die Firmen viel Geld. Ein unterdurchschnittlich geeigneter Mitarbeiter leistet zirka 40 bis 50% seines Jahresgehalts weniger als sein gut geeigneter Kollege. Auch wenn Sympathie bei der Personalauswahl eine wichtige Rolle spielt, empfehlen die Psychologen, sich nicht nur von den Gefühlen leiten zu lassen.
Persönlichkeitstests zeigen nicht nur die bewusst gezeigten Verhaltensstrategien (adaptierter Stil) der Bewerber, sondern auch ihr natürliches Grundverhalten. "Damit entsteht ein authentisches Bild des Einzelnen, das als Grundlage für Entscheidungen in den Bereichen Personalrekrutierung, Personalentwicklung und Human Resources dient," so Eber.
Frebort bezweifelt, dass es gelingt, die Persönlichkeit der Bewerber durch Selbsteinschätzung über Fragebögen zu erfassen. Wer sich vornimmt, einen bestimmten Eindruck zu vermitteln, könne die Testergebnisse verfälschen, damit am Ende das allseits erwünschte, teamfähige, flexible, durchsetzungsstarke und belastbare Profil herauskommt. Um das zu vermeiden, bestehen die Potenzialanalysen der Wiener Fakultät für Psychologie aus Leistungs- und objektiven Persönlichkeitstests. Dabei lösen zum Beispiel Kandidaten Aufgaben am Computer. Simulierte Störungen am PC reizen die Testperson. Aus ihren Reaktionen leiten die Psychologen dann Belastbarkeit und Arbeitsstil ab. Die Tests stehen in Einklang mit der DIN 33430 - ein Qualitätsstandard zur Regelung des Prozesses in der berufsbezogenen Eignungsbeurteilung. "Die in diesem Rahmen eingesetzten psychologisch-diagnostischen Verfahren müssen verschiedene Gütekriterien erfüllen. Neben subjektiven Selbsteinschätzungen sind objektive Daten aus Tests und Verhaltensbeobachtungen in der Personalauswahl zu berücksichtigen", sagt Frebort.
Andreas Landgrebe vom Personalberatungsunternehmen Jenewein & Partner setzt Persönlichkeitsanalysen punktuell als unterstützende Maßnahme im Search oder bei Potenzialanalysen ein. "Tests können ein persönliches Assessment fallweise ergänzen, keinesfalls ersetzen" ist er überzeugt und sieht die Tests als Anknüpfungspunkt im weiteren Gespräch, indem er beobachtet, wie der Kandidat mit Feedback bzw. Kritik umgeht. Schließlich sollten die Ergebnisse nicht nur Personalmanagern auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitern dienen. Ebenso wichtig ist die Kenntnis persönlicher Stärken und Schwächen für Bewerber auf der Suche nach maßgeschneiderten Karrierestrategien.