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Die Perspektiven der Opposition in Belarus

Von Alexander Dubowy

Gastkommentare
Alexander Dubowy ist Forscher im Bereich Internationaler Beziehungen und Sicherheitspolitik mit Schwerpunkt auf Osteuropa, Russland und GUS-Raum.
© Photo Simonis Wien

Auch wenn der Sieger schon feststeht, ist die Präsidentschaftswahl heuer ungewöhnlich.


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Am Sonntag wird wohl Alexander Lukaschenko zum sechsten Mal die Präsidentschaftswahl in Belarus gewinnen. Dennoch ist es eine ungewöhnliche Wahl, nicht nur angesichts der Corona-Pandemie, sondern auch angesichts der Tatsache, dass im Wahlkampf erstmals Vertreter des belarussischen politischen Establishments offen gegen Lukaschenko auftraten. Zwar mag der Wahlausgang selbst nur wenig Spannung versprechen, der Wahlkampf verliert dadurch jedoch nur wenig an Dramatik. Vor allem scheint die Opposition endgültig kein Minderheitsprogramm mehr zu sein. Vielmehr gewinnt sie schrittweise an Kraft und Form und erreicht immer größere Bevölkerungsgruppen.

Die Nominierung der stärksten Herausforderer Lukaschenkos wusste das offizielle Minsk freilich zu verhindern. Gegen den in U-Haft genommenen ehemaligen Leiter der Belgazprombank, Viktor Babariko, wurde ein Strafverfahren wegen angeblicher Geldwäsche eingeleitet. Valeri Tsepkalo, dem Gründer eines Hochtechnologieparks, wurde die Registrierung verweigert; einer offenbar geplanten Verhaftung entging er durch die Ausreise nach Russland. Nach der Verhaftung des populären Bloggers Sergej Tichanowski erklärte seine Frau Swetlana Tichanowskaja ihre Kandidatur. Lukaschenko dürfte sie nicht als Gegnerin fürchten: Sie wurde offiziell zur Wahl zugelassen.

Für den Fall ihres Sieges kündigt Tichanowskaja neben der Freilassung politischer Gefangener eine baldige Abhaltung freier und demokratischer Wahlen an.

Obwohl ihre Wahlkundgebungen zu den mit Abstand größten Oppositionsveranstaltungen seit einem Jahrzehnt zählen und Zehntausende versammeln, ist ihr Wahlsieg so gut wie ausgeschlossen. Aber auch wenn sich Lukaschenko keinesfalls Abwählen lassen wird und das amtliche Wahlergebnis in Belarus wenig glaubhaft erscheint, bleibt Tichanowskajas Wahlergebnis mit Blick auf die Zukunft des politischen Systems eine wichtige Unbekannte dieser Präsidentschaftswahl. Massive Wahlfälschungen sowie weitere Repressionen würden das Verhältnis zum Westen gefährlich belasten.

Im Wahlkampf positioniert sich Lukaschenko, wie bereits mehrfach in der Vergangenheit, als alleiniger Garant für Stabilität, Sicherheit und Souveränität. Doch in den vergangenen Monaten verlor der Langzeitpräsident deutlich an Popularität in der Bevölkerung; dies aufgrund schwacher Wirtschaftsdaten und des demonstrativen Ignorierens der Pandemie.

Das rigorose Vorgehen gegen die Oppositionskandidaten mag kurzfristig einige seiner Probleme lösen, mittel- bis langfristig wird es jedoch die oppositionelle Stimmung in der Bevölkerung befeuern. Vor allem bleibt unklar, was Lukaschenko dem Land nach 25 Jahren Defacto-Alleinherrschaft bieten kann.

Der außenpolitische Kurs der Republik Belarus, sich als potenzieller Brückenstaat zwischen der EU und Russland zu positionieren, bleibt stabil. Ungeachtet des umfassenden wirtschafts-, energie- und sicherheitspolitischen Abhängigkeitsverhältnisses zu Russland kann Minsk seit Jahren mit beachtenswerter Nachhaltigkeit eigene Positionen und Interessen durchsetzen und innerhalb russlandgeführter Integrationsprojekte im GUS-Raum als durchaus ernstes Gegengewicht Moskau gegenüber auftreten. Die Bestrebungen der belarussischen Führung, die stark an Russland ausgerichteten Beziehungen in Richtung EU und USA zu diversifizieren, dienen in diesem Zusammenhang oft bloß einer besseren Positionierung für Verhandlungen mit dem Kreml. Selbst eine - äußerst unwahrscheinliche - Niederlage Lukaschenkos würde daran kaum etwas ändern.