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Die Pest ist nicht ausgestorben

Von Alexandra Grass

Wissen

WHO: Jährlich mehrere hundert Erkrankungen. | Multiresistenzen stellen Forscher vor Herausforderung. | Wien. Rund 200 Millionen Menschen sind im Laufe der Jahrhunderte am sogenannten schwarzen Tod - der Pest - gestorben. Während in unseren Breiten der Erreger Yersinia pestis kaum Erwähnung findet, treten in verschiedenen Ländern der Erde nach wie vor Pesterkrankungen in unterschiedlich großen Einzelherden auf.


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Die WHO geht von mehreren hundert Erkrankungen pro Jahr aus, wobei die Todesrate bei zehn Prozent liegt. Im Kongo starben vergangenes Jahr etwa hundert Menschen, auf Madagaskar waren es nach offiziellen Angaben 19, die vermutlich durch den Biss eines Rattenflohs der Beulenpest zum Opfer gefallen waren.

Genforscher haben jetzt einen vor zwölf Jahren auf Madagaskar aufgetretenen Erreger als multiresistent gegenüber acht Antibiotika identifiziert. Das Team um Jacques Ravel vom Institute für Genomic Research in Maryland, USA, hat überdies nachgewiesen, dass genau diese Mehrfachresistenz (MDR) nahezu identisch ist mit den MD-Resistenzen, die sich in den USA infolge des Antibiotikaeinsatzes in der Viehzucht ausgebreitet haben.

Die Forscher verglichen die Gensequenz des Plasmids in Yersinia pestis mit Plasmiden aus Salmonellen und den im Darm beheimateten E. coli-Bakterien, die sie in Geflügel, Rindfleisch und Schweinefleisch aus US-Supermärkten gefunden hatten.

Wie das Resistenz-Plasmid in den Pesterreger gelangen konnte, ist den Forschern noch nicht klar und stellt sie daher vor neue Herausforderungen.

Resistenzen sind auf jeden Fall auf sogenannten Plasmiden kodiert, also in kleinen DNA-Molekülen, die außerhalb der Chromosomen vorkommen und damit unter den Bakterien austauschbar sind. Dies erleichtert prinzipiell auch eine speziesübergreifende Ausbreitung.

Resistenzen sollen überwacht werden

Das Team um Ravel warnt vor einer Ausbreitung dieser resistenten Erreger, was zu schlimmen Folgen führen könnte. Daher sollte die Überwachung der Resistenzen auf jene Gebiete der Erde ausgedehnt werden, wo nach wie vor Pesterkrankungen auftreten, heißt es in der Studie. Davon betroffen sind vor allem Ostafrika, in Asien die Mongolei, Vietnam, Myanmar und Indien. Selbst die USA vermelden etwa 15 Pestfälle pro Jahr.

Vor allem in Slums und Armenvierteln begünstigen Armut, mangelnde Hygiene- und Medizinstandards die Übertragung des Erregers. In den USA sind meist Jäger oder Wanderer in entlegenen Gebieten betroffen.

Reisende, aber auch Entwicklungshelfer sind vor allem dann einem Risiko ausgesetzt, wenn sie sich in nicht erschlossene Infektionsgebiete begeben.

Stichwort: Pest

Der Erreger Yersinia pestis gehört zur Familie der Enterobacteraceae (Darmbakterien), ist nicht anspruchsvoll und wächst gut auf mikrobiologischen Medien. Das natürliche Erregerreservoir bilden wildlebende Nagetiere wie die Wanderratte und deren Flöhe. Die Infektion erfolgt entweder durch einen Stich infizierter Flöhe, Kontakt mit infizierten Tieren, Tröpcheninfektion oder im Rahmen bioterroristischer Angriffe. Die Inkubationszeit beträgt ein bis sieben Tage. Beim Menschen sind die Beulenpest, Pestsepsis, Lungenpest und Pharyngitis (Rachenentzündung) mit zervikaler Lymphadenitis (Lymphknotenschwellung) bekannt. Die Einleitung einer Antibiotikatherapie innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn ist zur Senkung der Sterblichkeit wichtig.