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Die heimische Volksmedizin wird wiederbelebt. | Heilpflanzen vermehrt im Einsatz. | Wien. Das Heilwissen unserer Ahnen wird heutzutage wieder mehr in die moderne Medizin integriert und erfährt unter dem Begriff Traditionell Europäische Medizin ein Revival. Gerade junge Mediziner wollen "nicht mittel-, sondern menschenorientiert" arbeiten - mit einer ganzheitlichen Sicht auf den Organismus und seine Funktionsweise - und machen sich dabei die Volksmedizin zu Nutze, erklärt Helmut Olesko, Mitbegründer der erst Ende 2007 ins Leben gerufenen Akademie für Traditionelle Europäische Medizin (TEM) in Windischgarsten (Oberösterreich).
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Seit April werden dort Ärzte, Apotheker und Therapeuten im Rahmen einer dreijährigen berufsbegleitenden Ausbildung in die TEM eingeführt.
Pflanzen enthalten
unzählige Substanzen
In allen traditionellen Medizinformen - von der chinesischen bis zur europäischen - werden Abweichungen vom Zustand der Gesundheit vorwiegend mit pflanzlichen Heilmitteln behoben. Sie sind "die Chef-Chemiker in der Welt", betont Olesko.
Jede Pflanze erzeugt durch Biosynthese hunderte chemische Substanzen wie Geruchs-, Farb- oder Bitterstoffe, Stärke, Giftstoffe mit unterschiedlichen schädlichen Wirkungen sowie Arzneistoffe, die die Pflanze zur Behandlung von Krankheiten geeignet machen. Heutzutage gewinnt man die therapeutisch interessanten Inhaltsstoffe meistens in reiner Form, um sie exakt dosiert an Patienten verabreichen zu können, schreibt die Österreichische Gesellschaft für Phytotherapie. Schon seit urdenklichen Zeiten schätzt man die vielfältige Heilkraft der Pflanze bei den unterschiedlichsten Erkrankungen.
Mit pflanzlichen Arzneimitteln, sogenannten Phytopharmaka, werden vor allem leichte bis mittelschwere Erkrankungen behandelt. Erfolgreich werden sie aber auch bei schweren Krankheiten zusätzlich zu schulmedizinischen Therapieformen angewendet.
Wirkungsweisen aus der Tradition gelernt
Homöopathische Zubereitungen oder Bachblütenmischungen zählen übrigens nicht zur Phytotherapie. Genausowenig wie aus Pflanzen isolierte Reinsubstanzen wie etwa Menthol, Codein oder Morphin, die eher den chemisch synthetischen Substanzen gleichgestellt werden.
Heute gibt es bereits viele Befunde über Pflanzen. "Bei rund 50 Prozent wissen wir, warum es wirkt. Gelernt haben wir es aus der Tradition", erklärt Olesko. So entgiftet etwa der Wacholder im Sauerkraut über Leber und Nieren und nimmt die Blähungen. Und "Aspirin (Acetylsalicylsäure) gibt es praktisch seit der frühen Steinzeit, als Weidenrinde". Ein Inhaltsstoff der Weidenrinde ist etwa Salicin - ein natürlich vorkommendes Schmerzmittel.
Für die Herstellung von Phytopharmaka werden sowohl Wurzeln, Blätter, Rinden und Früchte als auch die Pflanze als Gesamtes verwendet.
Neben der Phytotherapie kommen in der traditionellen Medizin Bewegung, manuelle Therapien wie Schröpfen oder das Baunscheidieren zum Einsatz. Beim Baunscheidtverfahren werden durch winzige Nadelstiche und Einreiben mit pflanzlichen Substanzen Hautreizungen herbeigeführt. Die Therapieform kommt vor allem bei rheumatischen Beschwerden und Nervenschmerzen zum Einsatz.
Klinisch sind die Erfolge oft schwer belegbar, weil die Therapien individuell gestaltet werden und jeder Patient unterschiedlich behandelt wird. Doch am Interuniversitären Kolleg für Gesundheit und Entwicklung in Graz wird derzeit ein Studiendesign für Traditionelle Medizinformen vorbereitet, an dem Anwendungsbeobachtungen bei Patienten über einen Zeitraum von fünf Jahren in Datenbanken erfasst werden sollen, berichtet Olesko.
Breit gestreutes
Referententeam
Klinische Nachweise seien wichtig, denn "wir wollen unsere Geschichte in Ruhe weiterentwickeln und nicht ständig unter dem Verdacht stehen, dass da Scharlatane am Werk sind." Das Referenten-Team an der Akademie ist breit gestreut. Es unterrichten dort neben Kneipp-, Paracelsus- und TCM-Medizinern auch Phytotherapeuten, Naturheilpraktiker, Alchemisten und manuelle Therapeuten.
Gefahr für den Einsatz von Heilpflanzen droht seitens der EU. Denn 2011 läuft jene EU-weite Übergangsfrist aus, die es erlaubt, traditionell genutzte pflanzliche Heilmittel auch ohne klinische Studien als Arzneien zuzulassen.
www.tem-akademie.com