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Die Politik der Hasenschritte nach Sócrates

Von Konstanze Walther

Politik

Bei den Parlamentswahlen in Portugal am Sonntag ging das konservative Regierungsbündnis wieder als stärkste Kraft hervor - trotz vier Jahre Spardiktat. Doch die Verluste sind empfindlich, die Mehrheit ist weg und ein Koalitionspartner nicht in Sicht.


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Lissabon. In Portugal hat das regierende Mitte-Rechts-Bündnis eine schallende Ohrfeige für vier Jahre Spardiktat bekommen. Das Wahlbündnis "Portugal a Frente / Portugal Vorwärts", in dem die beiden konservativen portugiesischen Parteien aufgegangen sind, hat nur noch 38,3 Prozent der Stimmen erhalten. Damit verliert es 30 Sitze und damit ganz deutlich die absolute Mehrheit im Parlament.

Die große Oppositionspartei, die Sozialisten, konnten dennoch lediglich zwölf Sitze dazugewinnen. Mit 32,4 Prozent der Stimmen bleiben sie in der kommenden Legislaturperiode 2016 wieder nur zweitstärkste Kraft.

Überraschend für Beobachter war die starke Zunahme des "Linksblocks" (Bloco de Esquerda - BE), der die kommunistisch-grüne Einheitspartei überholte und nun die drittstärkste Kraft stellt. Der Linksblock, der für Arbeiterrechte eintritt und in gesellschaftlichen Fragen ein liberales Programm aufweist, hat seine Sitze mehr als verdoppelt: In der Vorgängerperiode zählte er nur acht, seit dem Urnengang sind es 19.

Der 1999 gegründete Block hatte kurzfristig unter den neuen sozialen Protestbewegungen gelitten. Denn einige Politiker hatten sich abgespalten hatten und mit neuen Listen versucht, auf der Welle der Empörung über die Austeritätsprogramme zu schwimmen. Doch von diesen neu entstandenen Parteien schaffte es keine in das Parlament. Und auch der berühmte Politiker aus dem Nachbarland, Pablo Iglesias, der Anführer der linken spanischen Podemos, die sich eben aus den sozialen Protestbewegungen der Empörten gegründet hatte, hat schlussendlich nicht den Abtrünnigen, sondern dem Block in Portugal öffentlich seine Unterstützung kundgetan.

Aber auch die kommunistisch-grüne Einheitspartei CDU hat ihr Ergebnis leicht verbessert. Das bedeutet, dass deutlich mehr als die Hälfte des Landes links gewählt hat.

Sozialisten als heiß umflirteter Mehrheitsbeschaffer

Die Regierungsbildung wird sich dementsprechend schwierig gestalten. Alle politischen Kommentatoren gehen davon aus, dass der - ebenfalls konservative Präsident - Aníbal Cavaco Silva seinen Parteikollegen und bisherigen Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Immerhin ist "Portugal a Frente" die stärkste Partei. Doch eine Minderheitsregierung gilt wegen ihrer Instabilität als unattraktiv. Und die linken Parteien ließen bereits deutlich durchblicken, dass sie nicht vorhaben, künftige Entscheidungen der Konservativen im Parlament zu unterstützen.

Die Sozialisten unter Antonio Costa sind nun die heiß umflirtete Partei: Obwohl sie noch nie in einer Koalitionsregierung waren, werden sie gerade heftig umworben. Passos Coelho, dessen Nachname übrigens "Hasenschritte" bedeutet, gab sich staatstragend und erklärte, er werde Brücken bauen und mit den Sozialisten Gespräche führen.

Ihre wirtschaftlichen Programme unterscheiden sich ohnedies nicht stark, die Sozialisten hatten schließlich auch unter ihrem ehemaligen Parteichef José Sócrates das Sparprogramm mit Brüssel unterschrieben. Sócrates, der wegen Vorwürfen der Korruption, Geldwäsche und Betrugsverdacht vor einem Jahr festgenommen worden war, überschattete nach Meinung vieler auch die Wahl: Das Image eines unter Hausarrest stehenden Ex-Parteiführers habe die Portugiesen nicht gerade gelockt, bei den Sozialisten ihr Kreuz zu machen. Sócrates rief übrigens 2011 Neuwahlen aus, weil das Parlament seiner sozialistische Minderheitenregierung bei der Durchsetzung der Sparpakete die Zustimmung verweigerte, die Brüssel im Gegenzug für das 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket gefordert hatte, das Portugal vor der Pleite bewahren sollte.

Die dann an die Macht kommenden Konservativen - damals noch als zwei Parteien - führten dann vor allem die mit Brüssel vereinbarten Sparpakete weiter aus. Nach Meinung vieler in Portugal schossen sie aber zum Teil mit ihren Privatisierungsvorhaben über das Ziel hinaus und setzten Dinge um, die nicht einmal von Brüssel diktiert worden waren. Allerdings hat Portugal unter Passos Coelho den Rettungsschirm verlassen und gilt bisher als Musterland, in dem die Sparanstrengungen gefruchtet haben. Passos Coelho stellt daher als Lockmittel für die Sozialisten eine leichte Abmilderung der Sparauflagen in Aussicht, wie etwa die Rücknahme von Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst.

Doch für die Sozialisten, die ohnedies Probleme haben, sich politisch von den Konservativen abzugrenzen, nachdem sie ebenfalls für viele der umgesetzten Sparmaßnahmen mitgestimmt haben, wäre das wohl der Anfang vom Ende ihrer Glaubwürdigkeit. Schwer vorstellbar, dass der Anführer der Sozialisten Antonio Costa einen derartigen Schritt wagen würde. Zumal er nach der Wahl innerparteilich gerade unter schwerem Beschuss steht. Parteimitglieder fordern offen seine Ablöse, denn die Wahl hätte besser ausgehen sollen. Falls Costa tatsächlich gehen muss, würde sein Nachfolger wohl auch eher antreten, das Profil der Partei zu schärfen, anstatt sie erstmals in eine große Koalition zu führen.

Kommunisten rufen zum Zusammenschluss auf

Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich die linken Parteien zusammenschließen. Am Montag, einen Tag nach der Wahl, erklärte das kommunistisch-grüne Einheitsbündnis CDU, dass sie sehr wohl offen seien für eine Koalition der Linksparteien mit den Sozialisten. Dies, obwohl man in den Wirtschaftsprogrammen keine Gemeinsamkeiten findet. Man wolle aber eine weitere Periode unter einer konservativen Regierung verhindern, heißt es vonseiten der CDU. Allerdings haben sich die Sozialisten in ihrer Vergangenheit immer deutlich von den Kommunisten distanziert.