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Die Politik der konsequenten Inkonsequenz

Von Beate Meinl-Reisinger

Gastkommentare
Beate Meinl-Reisinger ist Klubobfrau der Neos.

Österreichs Bundesregierung sabotiert sich bei der Bekämpfung des Arbeitskräftemangels selbst.


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Österreich ist das Land der Personalnot. Mit 200.000 Stellen sind so viele offen wie in keinem anderen Land der EU. Handlungsbedarf sieht auch die Bundesregierung, die eine Reformgruppe eingesetzt hat und nun gemeinsam mit der Wirtschaftskammer gegen den Arbeitskräftemangel vorgehen will. Doch Österreichs Bundesregierung sabotiert sich dabei selbst mit einer Politik der konsequenten Inkonsequenz.

Den Standort in der Welt zu positionieren, verkündete Arbeitsminister Martin Kocher jüngst als Ziel zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels. Bei Arbeitsmessen, unter anderem in Rumänien, solle Pflegepersonal angeworben werden. Just jenes Land, dessen Schengen-Beitritt Österreichs Bundesregierung blockiert hat, soll nun Arbeitskräfte schicken. An der Attraktivität des Angebots darf man zweifeln: Wer wartet gerne stundenlang an den Grenzen, um überhaupt arbeiten zu dürfen?

Neben EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern hat die Bundesregierung aber auch Personen aus Drittstaaten im Blick. Ihr Weg nach Österreich soll die Rot-Weiß-Rot-Card sein. Knapp 40.000 ausländische Fachkräfte benötigt der österreichische Arbeitsmarkt jährlich, um den demografisch bedingten Arbeitskräfteschwund zu kompensieren. Mit 2.903 neu ausgestellten Karten im Jahr 2022 sind wir davon weit entfernt. Auf die Idee, das Verfahren zu flexibilisieren und einen Spurwechsel vom Asylverfahren hin zur Rot-Weiß-Rot-Card zu ermöglichen, kommt die Bundesregierung nicht. Jene Menschen, die zwar einen negativen Asylbescheid haben, aber in Mangelberufen tätig sind, werden konsequent abgeschoben.

Auch bei der Berufstätigkeit von Frauen setzt die ÖVP, verhaftet in traditionellen Familienbildern, nicht an und verhindert seit Jahrzehnten den Ausbau von Kinderbetreuung. In der Konsequenz arbeitet jede zweite Frau in einem Angestelltenverhältnis in Teilzeit. Kinderbetreuung ist längst kein frauenpolitisches Thema mehr, sondern zur Überlebensfrage in der Wirtschaftspolitik geworden. Auf einen Rechtsanspruch und einen flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuung wartet Österreich vergeblich.

Die grassierende Personalnot ist aber nicht verwunderlich in einem Land mit der dritthöchsten Abgabenquote auf Löhne im OECD-Vergleich. Von 100 Euro landen nur 53 Euro in den Geldbörsen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Rechnung ist einfach: Mehr Arbeit lohnt sich schlichtweg nicht. Eine Senkung der Steuern und Abgaben, beispielsweise der Lohnnebenkosten, kommt für die Wirtschaftspartei ÖVP allerdings nicht in Frage.

So drängend die Personalnot auch sein mag, die Bundesregierung hält stramm Kurs in ihrer fremden-, wirtschafts-, und zukunftsfeindlichen Politik. Denn die ÖVP ist in ihre eigene Populismusfalle getappt. Darin gefangen, setzt sie die Zukunft des Wohlstands, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Finanzierung der Sozialsysteme und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts aufs Spiel. Mit konsequent inkonsequenter Politik steuern wir auf die Festung Österreich zu, in der einzig die rot-weiß-rote Flagge Wärme spenden wird.

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