In Sachen Corona hatte die Wiener SPÖ immer die besseren Antworten - bei der Teuerung scheint es anders. Eine Analyse.
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Die Teuerung zeigt gerade deutlich und einmal mehr, wie weit in der Politik Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen können. Vor allem die Wiener SPÖ steckt gerade in einem großen Dilemma: Die von der Wien Energie angekündigte Preissteigerung der Fernwärme um 92 Prozent widerspricht dem politischen Versprechen der Sozialdemokratie, der Bevölkerung eine dauerhaft günstige, umweltbewusste und sichere Art des Heizens zu gewährleisten.
Opfer der eigenen Erzählung
Dass dieses Versprechen nun nicht mehr eingehalten werden kann, ist zwar nicht die Schuld der SPÖ oder irgendeiner anderen Partei, aber es erzeugt das Bild eines gloriosen Scheiterns - und zwar des Scheiterns der Politik im Allgemeinen. Und dann doch ein bisschen mehr bei der Wiener SPÖ, die gerade Opfer ihrer eigenen Erzählung geworden ist: Denn sie war es, die in den vergangenen Monaten mit umfangreicher Kritik an den Corona-Maßnahmen die Bundesregierung vor sich hergetrieben hat. Und plötzlich findet man sich - zumindest in Sachen Teuerung - im selben Boot wieder.
"Es passiert gerade der Wiener Landesregierung dasselbe, was der Bundesregierung seit vielen Wochen und Monaten passiert - nämlich, dass ihnen jetzt die Erzählung nicht mehr geglaubt wird, Väterchen Staat - oder in diesem Fall Väterchen Stadt - würde sich um alle Menschen sorgen können", erklärt dazu Politikexperte Thomas Hofer. Denn Tatsache ist: Für die Erzeugung von Fernwärme benötigt man neben der Müllverbrennung rund zwei Drittel Gas, und die Gaspreise sind nicht und waren auch niemals im Einflussbereich der Stadtpolitiker.
Trotzdem wurde nach außen hin zuerst ein anderes Bild gezeichnet: Die Wien Energie ist ein stadteigener Betrieb - und wenn dieser Betrieb seine Preise erhöhen will, hat er einen Antrag auf Erhöhung des Fernwärmepreises zu stellen. "Und die Expertinnen und Experten der amtlichen Preiskommission sind jetzt aufgefordert abzuklären, in welcher Dimension diese Erhöhung gerechtfertigt ist", wie es Finanzstadtrat Peter Hanke vergangene Woche gegenüber der "Wiener Zeitung" formuliert hatte. Mitglieder dieser Preiskommission sind Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Arbeiterkammer.
Keine Entscheidungsmacht
Letztere erklärte aber auf Nachfrage, dass man keinerlei Entscheidungsmacht habe. Die Kommissionsmitglieder hätten lediglich ein Stellungnahme- und Anhörungsrecht. Sollte die Wien Energie auf dieser Erhöhung beharren, gebe es nichts, was man dagegen tun könne, so die AK. Allerdings hat die Wien Energie ohnehin keine andere Wahl, denn sie ist auch als stadteigener Betrieb ebenso abhängig vom internationalen Gasmarkt, wie jedes andere Energieunternehmen. Verschenken wird sie das Gas nicht können, schließlich gibt es ein Wirtschaftsstrafrecht.
Aufgestocktes Notfallpaket
Dass die Stadt Wien bereits eine Überweisung von 200 Euro auf die Konten der am meisten Fernwärme-Bezieher bis Ende Juni angekündigt hat und ein 125 Millionen Euro schweres Notfallpaket - das laut Bürgermeister noch aufgestockt werden soll - zur Verfügung stellt, ist natürlich eine positive Botschaft für die Wiener Bevölkerung. Zurzeit finden hinter den Kulissen der Stadtregierung zahlreiche Krisensitzungen zum Thema statt. "Wir werden Maßnahmen setzen, um die Erhöhung der Preise für die Kundinnen und Kunden deutlich abzufedern", versprach Ludwig noch am Donnerstagabend. Und zwar zusätzlich zum genannten Notfallpaket. Details dazu sollen Anfang kommender Woche präsentiert werden.
Reaktives Hinterherhinken
Trotzdem ist das alles zwangsläufig nur ein reaktives den Ereignissen Hinterherhinken - ohne zu wissen, wie lange diese Krise dauern wird und wie lange sich die Stadt solche Unterstützungen leisten wird können - beziehungsweise, wie man sie überhaupt gerecht verteilen kann. Abgesehen davon wird man die Mehrbelastung nur bis zu einem gewissen Maße abfedern, aber nicht aufhalten können. Was bleibt, ist der Eindruck des berühmten Tropfens auf den heißen Stein.
Kommunikationsstrategisch ist das gegenüber der Wählerschaft beziehungsweise gegenüber der Zielgruppe der Wiener SPÖ nicht mehr aufzulösen. Das bestätigt auch Hofer: "So etwas geht nicht spurlos an der Bürgermeisterpartei vorbei - und für die SPÖ ist es doppelt bitter, weil es nicht nur die unteren Einkommensschichten betrifft, sondern auch die mittleren Einkommen und auch die darüber. Und alle Betroffenen werden einen Schuldigen suchen - und hier drängen sich die Regierenden meistens als erstes auf, weil einfach wieder klar wird, dass die Politik in ganz Österreich nur Passagier der äußeren Umstände ist und nicht der Steuermann", meint Hofer. "Gar nicht zu reden davon, wenn dem Putin einmal einfallen sollte, das Gas abzudrehen, um zu sehen, was dann passiert."
Tatsache ist, dass derzeit in ganz Europa niemand eine Antwort auf die Teuerung hat - und die Politiker wären gut damit beraten, nicht immer mit den Finger auf die anderen zu zeigen, sondern zu erkennen, dass alle im selben Boot sitzen und dementsprechend verantwortungsbewusst agieren sollten.