Bei der Gleichstellung von Homosexuellen gibt es auf politischer Ebene seit Jahrzehnten keine Bewegung mehr.
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Wien. Bei der Gleichstellung von Homosexuellen hat sich in den vergangenen 25 Jahren doch einiges getan in Österreich. Der umstrittene Paragraf 209, der die Beziehung eines 19-Jährigen mit einem 17-jährigen Mann unter Strafe gestellt hat, ist aus dem Strafrecht verschwunden, Homosexuelle dürfen auch bei der Mitversicherung nicht mehr diskriminiert werden und erst kürzlich ist das Samenspendenverbot an lesbische Paare gefallen sowie am Mittwoch das Adoptionsverbot gleichgeschlechtlicher Paare.
Was diese und einige weitere Fortschritte bei der Gleichstellung Homosexueller eint: Sie kamen allesamt nicht von der Regierung, sondern wurden von dieser nur nach Erkenntnissen von Höchstgerichten umgesetzt und dann vom Nationalrat beschlossen. Auch jetzt wieder, beim Adoptionsrecht, war es der Verfassungsgerichtshof, der das Verbot wegen Diskriminierung aufhob. Schon jetzt war es Einzelpersonen möglich, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Kinder zu adoptieren, für VfGH-Präsident Gerhart Holzinger gab es keine "sachliche Rechtfertigung" für diese Regelung, wie er sagte.
"Es ist jetzt schon 25 Jahre her, dass die Politik aus eigener Kraft ein Gesetz zur Gleichstellung zustande gebracht hat", sagt Anwalt Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda. Damals war die männliche homosexuelle Prostitution aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden, allerdings hatte das, inmitten der Aids-Welle, gesundheitspolitische Gründe, um bessere Kontrollmöglichkeiten zu haben. Konservative Abgeordnete bemühten sich zu betonten, dass dies keine "Aufweichung" der Bestimmungen sei.
Seit 1989 ist die neunte Regierung im Amt, doch puncto Gleichstellung Homosexueller ist nichts passiert, das heißt: nicht vonseiten der Politik. "Es wäre an Zeit, dass die Regierung endlich agiert und das Eheverbot aufhebt", fordert Graupner. Bei diesem Kernkonflikt sieht allerdings auch der VfGH "aus heutiger Sicht", wie Holzinger erklärte, keinen Anlass für eine Aufhebung.
"Seit 1986 ist die ÖVP ununterbrochen in jeder Regierung und kann jedes Anliegen verhindern", sagt Graupner. Die ÖVP war dann auch die einzige Partei, die das Erkenntnis der Verfassungsrichter aktiv gar nicht kommentierte. Danach gefragt, erklärten Parteichef Reinhold Mitterlehner sowie Justizminister Wolfgang Brandstetter, der nicht ÖVP-Mitglied ist, dass man das Erkenntnis respektiere und es umsetzen werde.
SPÖ jubelt, ÖVP schweigt
Anders der Koalitionspartner SPÖ, aus deren Reihen gleich acht Aussendungen an die Redaktionen geschickt wurden, darunter von der zuständigen Ministerin Gabriele Heinsch-Hosek und dem Klubchef im Nationalrat, Andreas Schieder, die die Aufhebung des Adoptionsverbots geradezu euphorisch kommentierten. Auch Grüne und Neos äußerten sich sehr positiv, das Team Stronach eher indifferent (wenn der Autor dieses Artikels die Aussendung richtig deutet), die FPÖ sah dagegen einen "Schwarzen Tag für Österreichs Kinder". Und der Cartellverband zeigte sich erschüttert, er sieht durch den Spruch das "Wohl des Kindes gefährdet". Das ist insofern relevant, da die ÖVP dem Cartellverband nahesteht, wobei die Bande schon einmal enger waren als derzeit.
Die Volkspartei steckt inmitten ihrer "Evolution", eines Reformprozesses, in der unter anderem auch über gesellschaftspolitische Fragen diskutiert wird. Zudem bestätigt man im Justizressort, dass die diversen Unterscheidungen von der Eingetragenen Partnerschaft zur Ehe geprüft werden. Auch das Adoptionsverbot war eine dieser 40 Unterscheidungen, die nun mehr durch den VfGH auf 39 reduziert wurden.
"Am Anfang gab es sogar 100 festgeschriebene Unterschiede zur Ehe, das haben wir damals noch auf 40 reduzieren können", sagt Graupner. Doch auch bei den diesen könnten, wie im Fall der Adoption, einige verfassungswidrige dabei sein, darunter etwa der Ausschluss, sich auf dem Standesamt zu verpartnern.
Ehe weiter kein Thema
Zizerlweise könnten in den kommenden Jahren einige dieser Unterscheidungen zur Ehe noch verschwinden. Zum einen, da noch Verfahren in Straßburg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausständig sind, zum anderen, da sich innerhalb der ÖVP die Bereitschaft, diskriminierende Gesetze aufzuheben, verändert hat. Unter anderem hatte sich Familienministerin Sophie Karmasin, auch wenn sie ebenfalls kein Parteimitglied ist, für die Beseitigung einiger Unterschiede, etwa den Treuepflichten, ausgesprochen.
"Zwölf Staaten in Europa erlauben die Eheschließung, und heuer kommt wahrscheinlich auch Irland dazu", sagt Graupner. In Westeuropa fallen daher nur Deutschland und Österreich aus der Reihe. "Es ist also das einzige Land, in dem Kinder von Regenbogenfamilien automatisch immer uneheliche sind", sagt Graupner. Er verweist darauf, dass sich in Umfragen hierzulande mittlerweile zwei Drittel für eine Öffnung der Ehe fordern, wie das auch von der SPÖ gefordert wird.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die ÖVP ihr Nein dazu korrigiert, ist jedoch nicht groß. Auch am Mittwoch bekannte Mittlerlehner, dass die ÖVP weiter die traditionelle Familie mit Vater, Mutter und Kind forcieren und fördern wolle.