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Bis 2020 braucht Europa 400 neue Kraftwerke. | Leitungsnetz an der Grenze der Kapazität. | "Re-Regulierung" für Versorgungssicherheit "nötig". | Wien. Nach dem Stromausfall vom Wochenende, der weite Teile Europas betroffen hat, betonen Experten der Energietechnik-Verbände der Schweiz, Österreichs und Deutschlands bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien die Dringlichkeit des Ausbaus der europäischen Infrastruktur.
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Leo Windtner, Präsident des Verbandes der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VDE) und Chef des oberösterreichischen Landesversorgers Energie AG, weist darauf hin, dass bis 2020 in Europa 300.000 Megawatt an neuer Kraftwerksleistung erforderlich sein werden - zum Teil, weil alte Kraftwerke stillgelegt werden müssen, zum Teil, weil der Stromverbrauch steigen wird. "Das entspricht entweder 200 Kernkraftwerken oder 400 Gas- und Dampfkraftwerken", so Windtner. Allein in Österreich seien 30 neue Anlagen mit einer Kapazität des Kraftwerks Freudenau bis 2015 nötig.
Importland Österreich
Dennoch werde Österreich, das bis 2002 ein Strom-Exporteur war, bis 2020 einen erheblichen Teil seiner Elektrizität importieren müssen, sagt Windtner. Dann werde die Differenz zwischen inländischer Stromproduktion und Verbrauch zwischen 30 und 40 Terawatt-Stunden betragen. Zum Vergleich: Österreich verbraucht derzeit insgesamt etwa 65 Terawatt-Stunden pro Jahr. "Wenn die Politik die Zeichen nicht versteht, dann sind in Europa künftig auch andere Szenarien möglich, wie etwa der große Blackout in den USA vor drei Jahren."
Georg Antesberger, Vorstandsmitglied der Siemens AG Österreich, ortet ein noch größeres Problem im Leitungsnetz: "Bei der Erzeugung ist schon sehr viel im Bau. Aber bei den Leitungen geht nach wie vor nichts weiter." Seit 15 Jahren bemühe man sich um den Lückenschluss im heimischen 380-KV-Netz. Man brauche hier eine klare Raumordnung, fordert Windtner, "damit nicht jede Schrebergartenhütte eine Hochspannungsleitung verhindern kann."
Walter Auer von der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik (OVE) verweist auf falsche Vorstellungen in den Köpfen vieler Politiker: "Da gibt es das Märchen von den regenerativen Energien. Die werden aber zur Abdeckung des künftigen Bedarfs nicht reichen." Gleiches gelte für die oft geforderte Steigerung der Energie-Effizienz. Diese könne die Nachfrage-Zuwächse der nächsten Jahre bestenfalls ein wenig dämpfen.
In das selbe Horn stößt Wolfgang Schröppel, Präsident der Energietechnischen Gesellschaft Deutschlands. "In der Politik werden viele Energie-Konzepte erstellt, aber man vergisst dabei oft die Physik. Konzepte müssen aber auch physikalisch möglich sein."
Kein freier Markt
Günter Rabensteiner, Vorstand der Verbund-Stromhandelstochter APT, sieht auch Probleme durch die Liberalisierung. Das Stromnetz sei auf grenzüberschreitenden Stromhandel nicht ausgerichtet. Hier müsse es zu einer "Re-Regulierung" sprich: Einschränkung - kommen. Ebenso müssten zur Absicherung von Kraftwerksinvestitionen wieder langfristige Strombezugsverträge ermöglicht werden. Diese sind aus Wettbewerbsgründen abgeschafft worden.
Zur Empfehlung der Internationalen Energie-Agentur, die Atomenergie auszubauen, meint Windtner, aus Sicht der heimischen Energiewirtschaft gebe es dazu "nichts zu sagen". In Österreich gebe es eine politische Linie, und die werde zur Kenntnis genommen.