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Die Pollensaison ist noch immer nicht zu Ende

Von Astrid Fadler

Wissen

Viele Allergiker leiden bereits bis in den Oktober unter typischen Symptomen.


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Wien. Ein Unkraut beschäftigt die Wissenschaft: Das Beifußblättrige Traubenkraut (Ragweed, Ambrosia artemisiifolia) breitet sich auch in Österreich immer stärker aus. Die hochallergenen Pollen der spät blühenden Pflanze verlängern die Heuschnupfen-Saison bis in den Herbst. Denn bis Oktober kann der aggressive Blütenstaub die typischen Symptome wie tränende Augen oder heftiges Niesen auslösen. Mittlerweile reagieren rund 20 bis 30 Prozent der Pollenallergiker stark auf Ragweed - viele entwickeln Asthma. Schon der Hautkontakt mit dem Blütenstand kann Allergien auslösen. Hochgerechnet sind das rund 90 bis 100 Millionen Euro pro Jahr für die Medikamente.

Der Pollen des beifußblättrigen Traubenkrauts kann beim Menschen heftige Allergien auslösen.
© wikimedia commons

Neue Impfstoffkandidaten

An einer allergischen Reaktion sind verschiedene Teile des Immunsystems beteiligt, die wichtigsten sind T-Helferzellen und IgE-Antikörper. Sie regen sogenannte Mastzellen an, die Histamine und andere Substanzen ausschütten, die die Symptome hervorrufen. IgE-Antikörper schützen eigentlich vor Parasiten, wenden sich bei Allergien aber gegen den Körper.

Wie eine Forschergruppe um Beatrice Jahn-Schmid von der Abteilung für Zelluläre Allergologie der Medizinuni Wien herausfand, kreuz-reagieren die Hauptallergene von Ragweed und Beifuß - beides Korbblütler - sowohl bei den IgE-Antikörpern als auch bei den T-Helferzellen. Die Antikörper und Zellen können die Allergene kaum unterscheiden. Mit Fatima Ferreira von der Uni Salzburg entwickelte Jahn-Schmid Impfstoff-Kandidaten für Ragweed und Beifuß, mit denen das Immunsystem an die Pollen gewöhnt werden soll. Im Gegensatz zu derzeitigen Impfstoffen lösen sie fast keine Immunreaktion aus.

Mittlerweile gibt es viele Hinweise, dass Ambrosia-Pollen auch die Atemwege von Haus- und Nutztieren angreifen können. Um Ausbreitungswege zu erforschen und Bekämpfungsmaßnahmen auszuarbeiten, starteten die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, die Niederösterreichische Landesakademie, die Uni Salzburg, das Umweltbundesamt und die Uni für Bodenkultur 2008 das "Projekt Ragweed", finanziert unter anderem vom Lebensministerium. Ragweed-Samen können jahrelang im Boden überdauern, bei günstigen Bedingungen keimen bis zu 95 Prozent davon. Schon deutlich geringere Pollenkonzentrationen als etwa bei Gräsern können allergische Reaktionen auslösen. Das bis zu zwei Meter hohe Kraut wächst entlang von Flüssen, auf Böschungen, Straßen- und Wegrändern, Waldlichtungen, Brachflächen sowie an Feldrändern - breitet sich aber auch auf Landwirtschaftsflächen mitunter massiv aus.

Nur punktuell Maßnahmen

Gezielte Bekämpfungsmaßnahmen bringen Erfolge. In der Schweiz konnte der Bestand mit großem Aufwand um mehr als 90 Prozent reduziert werden. Für eine effiziente Bekämpfung ist die Hilfe der Bevölkerung gefragt, so können bei entsprechenden Einrichtungen Ragweed-Vorkommen gemeldet werden. Vor der Blüte kann man die Pflanze (mit Handschuhen) ausreißen. Danach ist zusätzlich Atemschutz nötig, das Unkraut kommt in verschlossenen Plastiksäcken zum Hausmüll

In einigen Gemeinden gibt es speziell geschulte Experten. Durch entsprechendes Timing beim Mähen und gründliche Reinigung der Maschinen kann die Ausbreitung von Samen deutlich verringert werden. Ragweed darf nicht auf den Kompost. Punkto Nahrungsmittel-Allergien spielt die Pflanze (noch) keine Rolle, obwohl etwa in Honigproben aus den betroffenen Gebieten deutlich mehr Ragweed-Pollen gefunden wurden als in anderen Proben.

Um die Ergebnisse der Ende 2011 abgeschlossenen Ragweed-Studie auch praktisch umzusetzen, sind entsprechende politische Entscheidungen nötig. "Wir haben", so Gerhard Karrer, Ragweed-Experte und Koordinator des bundesweiten Projekts, "unter anderem die Einrichtung von beratenden und ausbildenden Arbeitskreisen in den Bundesländern empfohlen. Diese gibt es bis dato nur in der Steiermark und in Niederösterreich. In der Schweiz und in Ungarn etwa gibt es gesetzliche Regelungen, befallene Flächen müssen gemeldet und behandelt werden. Man sollte nicht mit allem auf EU-Regelungen warten." Im Übrigen hat die EU im Juni 2011 eine Verordnung zur Reduktion von Ragweed-Samen in Vogelfutter erlassen, nachdem sogar "Ambrosia controlled"-Futter deutlich verunreinigt war.

Website Ragweed der BOKU
Website Pollenwarndienst