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Die Post bringt der Post was

Von Sonja Gerstl

Politik
Durch die geplanten Wohnbauten geht ein große Anzahl der Sportflächen verloren. Der Fußballplatz und die Aschenbahn sollen jedoch erhalten bleiben.
© Tatjana Sternisa

An sich müsste der Postsportplatz in Hernals nur saniert werden. Stattdessen bekommt er 1000 Wohnungen.


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Über beachtliche 5,58 Quadratkilometer Sportfläche verfügt die Stadt Wien derzeit, und ausgerechnet den Wiener Postsportverein (Post SV) musste es treffen.

Auf dem knapp 17 Hektar großen Postsportplatz des Vereins in Hernals plant die Post AG, als Eigentümerin der Liegenschaft, ihren Einstieg ins Wohnimmobilienbusiness. 1000 Wohnungen sollen im Laufe der nächsten Jahre auf dem an sich als Sportstätte gewidmeten Areal entstehen. Das sorgt nicht nur beim Post SV, der im Vorjahr sein 100-jähriges Bestehen feierte, für Aufregung. Auch eine Bürgerinitiative hat sich gegen das geplante Bauvorhaben in Stellung gebracht. Geschuldet ist dieses Engagement der Post vermutlich einem Zufall. Eine Rekonstruktion.

Verlustposten Postsportplatz

Clemens Rarrel, Vereinsobmann-Stellvertreter des Post SV sitzt in seinem Zimmer und erzählt von früher: "In den 70ern war der Postsportplatz medial viel beachteter Austragungsort des Davis Cup-Matches gegen Neuseeland, der Post SV hat in den unterschiedlichsten Disziplinen zahlreiche Staatsmeister hervorgebracht, bevor wir dann im Zuge der Trennung von Post und Telekom - und in weiterer Folge (Teil)Privatisierung der beiden Unternehmen - in der Versenkung zu verschwinden drohten." Die Förderungen wurden weniger, bis sie zuletzt komplett eingestellt wurden. "Wir mussten uns finanziell neu aufstellen. Weg vom Betriebssportverein, hin zu einem Sportflächenanbieter, der auch andere Vereine und öffentliche Einrichtungen wie Schulen miteinbezieht", sagt Rarrel.

Und das gelang auch ganz gut, bis zu jenem Tag, an dem im Zuge einer äußerst gewissenhaften Überprüfung der Finanzgebarung der Post AG plötzlich der "Verlustposten" Postsportplatz auftauchte.

"Wir haben damals von der Post AG eine nachträgliche Betriebskostenabrechnung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro erhalten", sagt Rarrel. Eine Summe, die man niemals begleichen hätte können. Ab diesem Zeitpunkt jedenfalls rückte der Postsportplatz und mit ihm der Post SV in den Fokus des Postinteresses. "Seit Jahrzehnten schon ist kein Vorstand der Post AG Vereinsmitglied. Der Letzte, der aktiv bei uns mitgemacht hat, ist heute unser Präsident: der Sindelka", sagt Rarrel. Zu Erklärung: Josef Sindelka, Jahrgang 1938, wurde 1985 Generaldirektor der damals noch "Post- und Telegrafenverwaltung". Nach der Umbenennung in "Post und Telekom Austria AG" blieb er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 Vorstandsvorsitzender. Die jahrzehntelange Ignoranz gegenüber dem Post SV hatte aber auch seine Vorteile. Demnach ist der Verein zwar schon seit den späten 1930er Jahren Pächter des Hernalser Postsportplatzes, hat aber bis dato noch keinen Cent Pacht bezahlt. Für die laufenden Betriebskosten sei man selbstredend aufgekommen, versichert Rarrel.

Wenngleich es, räumt er ein, bei der Stromrechnung gewisse Unschärfen gegeben hätte, die man allerdings als Verein immer schon bereinigen habe wollen. Zu spät, die schlafenden Hunde waren geweckt.

Dass das Areal als Sportfläche gewidmet ist (in Wien über ein eigenes Gesetz geregelt), dürfte vermutlich die Freude über die wiederentdeckten 17 Hektar ein klein wenig eingetrübt haben, die Idee einer gewinnbringenden Vermarktung reifte dennoch heran. Ende des Vorjahres schließlich erklärte die Post AG, dass man sich nunmehr des Postsportareals annehmen und selbiges modernisieren werde. Das allerdings koste Geld, sehr viel Geld. Von einem zweistelligen Millionenbetrag war die Rede (dem Vernehmen nach soll es sich um 20 Millionen Euro handeln), den die Post aber nicht aus eigenen Stücken stemmen könne und deshalb begleitende Maßnahmen setzen müsse. Allem voran: Die Errichtung von 1000 Wohnungen auf dem Gelände des Postsportplatzes, die mittelfristig die Investitionen in die Sportflächen egalisieren sollen.

Riesiges Wohnensemble

Zur besseren Illustration ihres Vorhabens präsentierte die Post auf der eigens ins Leben gerufenen Website "Postsportviertel+, betreut übrigens von art.phalanx, jene PR-Agentur, die in den vergangenen Wochen mit der Organisation des Gürtelpools Medien und Öffentlichkeit gleichermaßen auf Trab hielt, ein umfangreiches Rendering. Zu sehen gab es für kurze Zeit (die Beiträge wurden rasch wieder gelöscht) ein auf den ersten Blick durchaus ansprechendes, langgezogenes Ensemble aus mehrgeschoßigen Bauten und weitläufigen (zubetonierten) Gemeinschaftsflächen, das sich zwar am Rande der Sportanlage befand, aber dennoch einen ziemlich dominanten Eindruck erweckte.

Dominant genug jedenfalls, um die Anrainer der Bezirke 17 und 18 auf den Plan zu rufen. Die Bürgerinitiative, "Zukunft Hernals", die interessanterweise nicht von den Grünen, sondern von den Neos unterstützt wird, formierte sich.

Um den Grad der Empörung zu verstehen, muss man vor Ort gewesen sein. Das Areal des Postsportplatzes offenbart nämlich so etwas wie den Charme längst vergangener Jahrzehnte. Große, tatsächlich Schatten spendende Bäume über das gesamte Gelände verteilt, löchrige Zäune, ein in die Jahre gekommener Minigolfplatz, kleine Vereinslokale mit Ausschank und bodenständigem Mittagsmenü. Dazwischen die Sportplätze - Tennis, Fußball, Landhockey ... von Wiesenflächen, Büschen und Sträuchern umgeben. Kurzum: eine zu wertvolle Fläche, um sie widerstandslos einem profitorientierten Wohnbauvorhaben zu opfern.

Die Aversion gegen das Projekt wuchs, um die erhitzten Gemüter zu beruhigen, wurde die Stadt Wien aktiv. Via Stadtentwicklungskommission (STEK) legte man die Rahmenbedingungen für eine Weiterentwicklung des Areals fest. Demnach ist die Post dazu verpflichtet, die Sportanlagen zu erhalten und zu modernisieren. Die Plätze müssen künftig der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Ebenfalls vorgeschrieben wurden weitere Grünflächen und zusätzliche Baumpflanzungen, das Gelände soll durch neu angelegte Wege für Fußgänger und Radfahrer erreichbar und durchquerbar sein. Und schließlich der entscheidende Punkt: Die Post darf das Areal nur am Rand verbauen. Wo schon und wo nicht, steht allerdings nicht eindeutig im Bericht.

Widmungen fehlen

Auffällig am Lageplan ist die jetzt schon hohe Anzahl an verbauten Flächen. Obwohl das rund 170.000 Quadratmeter große Areal eigentlich als Sportfläche gewidmet ist, wurden im Laufe der Jahre zahlreiche Wohnblöcke an den Rändern errichtet.

Der Parkplatz im Süden des Areals soll komplett verbaut werden.
© Tatjana Sternisa/Wiener Zeitung

Auch ein städtischer Kindergarten und die Postakademie samt angeschlossener Mehrzweckhalle befinden sich auf dem Gelände. Letztere sollen im Zuge der Wohnbauoffensive der Post planiert werden und so Platz für Neubauten schaffen. Die Post AG will diesen Bereich allerdings weiter als bisher als Baufläche vorgesehen ausdehnen und dafür einige Tennisplätze opfern, was wiederum eine Flächenumwidmung erforderlich macht. Ähnliche Wünsche äußerte man auch in einem weiteren Bereich des Areals, nahe an bereits bestehenden Wohnbauten. Auch hier soll Sportfläche verbaut werden.

Die maximal erlaubte Bauhöhe für sämtliche Vorhaben auf dem Postsportareal beträgt laut STEK 16 Meter. Und genau hier beginnen die Probleme: Um ihr Projekt gewinnbringend durchführen zu können, besteht die Post AG nämlich auf die Errichtung von 1000 Wohnungen, zumal zwei Drittel davon laut neuer Wiener Bauordnung geförderte Wohnungen sein müssen. Lediglich ein Drittel der Baufläche kann die Post für die Errichtung der wesentlich lukrativeren, da freifinanzierten Wohnungen aufwenden.

Verlust von Sportflächen

1000 Wohnungen lassen sich jedoch, trotz gewünschter "Zuschläge", nicht auf der aktuell ausgewiesenen Baufläche errichten. Für 1000 Wohnungen braucht man mindestens noch eine weitere, sehr große Fläche. Etwa so groß wie der bestehende Parkplatz bei der Pezzlgasse. Jetzt schon nutzt der Postsportverein lediglich ein knappes Drittel der vorhandenen Parkfläche für seine Mitglieder. Der Rest ist als Stellflächen an eine Firma und Anrainer weitervermietet.

Im Bericht der STEK ist dieses Areal in betongrauer Farbe unterlegt, die ursprüngliche Widmung, nämlich als Sportfläche, steht zumindest noch am Plan. Das Areal stellt quasi das Herzstück der Planungen der Post AG dar. Hier sollen im Erdgeschoß Nahversorger, Ärztezentrum und andere infrastrukturell benötigte (und auch eingeforderte) Einrichtungen entstehen. Gleichzeitig bildet der Gebäudekomplex das Entree zu den Sportplätzen.

Die Chance, dass sich Wien, trotz diskussionswürdiger Widmung, gegen eine Bebauung des Parkplatzes ausspricht, tendiert allerdings gegen Null. Schließlich war es die Stadt selbst, die noch vor wenigen Jahren auf diesem Areal die Erweiterung einer benachbarten Schule geplant hatte.

Mangelnde Unterstützung

Überhaupt, so heißt es seitens der Bürgerinitiative "Zukunft Hernals", sei das Vertrauen in die rot-grüne Stadtregierung und die rote Bezirksvertretung in der Causa endenwollend. Wären schon mehr als 600 geförderte Wohnungen in sehr guter Lage ein schlagkräftiges Argument, hätte die Post AG laut "Zukunft Hernals" noch ein weiteres Ass im Ärmel: nämlich den ehemaligen Lidl-, nunmehr Christine-Nöstlinger-Park. Die ganzjährig gut besuchte Erholungsfläche wird zwar von der Stadt verwaltet, befindet sich aber immer noch im Besitz der Post und ist damit Teil der projektierten Gesamtfläche. Die Stadt mache sich erpressbar, wird seitens der Bürgerinitiative befürchtet.

Auch die von der Post AG zwischenzeitlich durchgeführten Erhebungen zum zu erwarteten verstärkten Verkehrsaufkommen im Grätzel ist nur bedingt dazu angetan, die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Immerhin muss die Stadt dort keine neue U-Bahn planen, die kommt nämlich sowieso. Zwar fährt die U5 ab 2025 vorerst nur bis zum Frankh-platz am Anfang der Alser Straße. Irgendwann einmal wird sie jedoch bis zum Elterleinplatz, also nach Hernals, reichen.

Anrainer des Postsportplatzes befürchten den Verlust zahlreicher Bäume.
© Tatjana Sternisa/Wiener Zeitung

Alles kein Thema für die Bürgerinitiative, die sich mittlerweile mit schweren Geschützen in Position bringt. Konkret geht es um den großen Parkplatz beim Eingang Pezzl-gasse. Dieser würde nämlich, obwohl versiegelt bis in die letzte Pore, dennoch von ökologischem Nutzen sein. Und zwar deshalb, weil der Wind darüber hinweg blasen und so den benachbarten Grätzln die in Großstädten so dringend notwendige Abkühlung bringen würde. Sollte "Zukunft Hernals" mit dieser Argumentation einen Etappensieg erringen, könnte das weitreichende Folgen für zukünftige Stadtplanungsprojekte haben. Regina Schönleitner, Sprecherin der Bürgerinitiative, ist zuversichtlich und verweist auf eine prominente Baustelle in Hietzing, nämlich Schönbrunn, wo derlei Kriterien für einen geplanten Zubau durchaus schlagend geworden seien.

Luftströmung berücksichtigen

"Wird der Durchzug, noch dazu abgekühlt durch die vielen vorhandene Bäume, durch hohe Wohnblöcke gehemmt, sorgt das für zusätzliche Hitzeinseln. Das kann nicht im Interesse der Stadt sein", sagt sie. Nicht zuletzt deshalb, weil man derzeit an allen Ecken und Enden Wiens via Nebel- und Sprühduschen fieberhaft daran arbeite, Straßen und Plätze wenigstens um ein paar Grad kühler zu machen. Vereinsobmann-Stellvertreter Rarrell hat indes ganz andere Sorgen.

Neue Mehrzweckhallen

Durch den Abriss der Postakademie verliere man die zwei Wettkampfhallen, dem Neubau am großen Parkplatz müsse auch das kleine Verwaltungsgebäude, Arbeitsplatz für 11 Vereinsangestellte, weichen, erzählt er. Die vielen, großteils in Plattenbauweise errichteten Sporthallen hätten schon bessere Zeiten gesehen. Geht es nach den Plänen der Post, sollen sie ebenfalls abgerissen und durch moderne Mehrzweckhallen ersetzt werden, sagt Rarrel: "Der Sportstättenplaner, den die Post bereitgestellt hat, hat uns großartige Projekte vorgeschlagen."

Allerdings würden 20 Millionen Euro dafür wohl nicht ausreichen. Und selbst wenn die Post die Spendierhose anziehen würde und all das umsetzt, bliebe immer noch die Frage, wie hoch dann künftig die Pachtgebühr für derlei Luxus sein werde. Der Verein habe zwar Reserven angespart, diese müssten jedoch jetzt für Anmietung von Ersatzsportplätze für die über 5000 Vereinsmitglieder während der Bauphase verwendet werden.

Wenig Transparenz

Seitens der Stadt Wien zeigt man sich in puncto Postsportplatz alles andere als gesprächig. Anfragen werden nur knapp beantwortet. Gerade in Wahlzeiten ist man darauf erpicht, potenzielle "Aufreger" auf kleiner Flamme köcheln zu lassen.

Bei der Post AG wiederum sieht man die Stadt am Zug. Man habe seine Planungsvorhaben dargelegt. Dabei seien STEK-Kriterien und auch die Anliegen der Bevölkerung berücksichtigt worden, erklärt ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage. Sobald alle Genehmigungen erteilt sind, werde man einen internationalen Architektenwettbewerb ausschreiben. Vor 2023 sei mit einem Baubeginn jedoch nicht zu rechnen, schließlich würde der Pachtvertrag mit dem Postsportverein bis Ende 2022 laufen.

Bis dahin ist noch Zeit für die eine oder andere Partie Minigolf am Postsportplatz.