Österreich muss das Vergabegesetz rasch novellieren. Der Entwurf macht das Gesetz noch einmal komplexer - und auch das gewünschte Bestbieterprinzip könnte in Frage stehen.
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Wien. Es ist nun schon drei Jahre her, dass die Europäische Union Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge erlassen hat. Sie mussten seither von den nationalen Regierungen in Gesetz gegossen werden, wobei die EU eine Frist bis 18. April 2016 einräumte. Die Frist kam, verstrich, ohne aber dass sich Österreich an die Umsetzung gemacht hätte. Erst diesen Februar ist ein Entwurf für ein neues Vergabegesetz in Begutachtung gegangen, weshalb die Union ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat.
Nun ist Eile geboten, um Strafzahlungen an Brüssel zu vermeiden. Bis zum Sommer soll das neue Gesetz im Nationalrat beschlossen werden. Die Begutachtung läuft am Montag aus, bereits jetzt sind einige Stellungnahmen eingegangen - und sie lassen doch auf gröbere Schwächen schließen. Schon vorab hat auch der zuständige Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) angekündigt, Anpassungen diskutieren zu wollen. Konkret ging es dabei um den Grenzwert von 50.000 Euro, ab dem alle zu vergebenden Aufträge veröffentlicht werden müssen. Die Grünen hatten reklamiert, aus Gründen der Transparenz dieses Limit nach unten zu setzen. Drodza zeigte sich daraufhin bereit, die Schwelle "deutlich unter 10.000 Euro zu senken".
Doch der Hund in diesem Entwurf steckt, wie Vergabeexperten sagen, nicht nur im Detail. Das Gesetz ist 236 Seiten stark und nicht gerade gut verständlich. Das ohnehin bereits jetzt sehr komplexe Vergaberecht wird durch die Neufassung noch einmal komplexer. Und es wird politischer - das ist wohl die wesentlichste und sehr grundsätzliche Änderung in dem geplanten Gesetz.
Das gesamte Volumen öffentlicher Beschaffungen in Österreich beträgt nach Schätzungen jedes Jahr rund 40 Milliarden Euro. Das kann der Neubau einer Schule sein, aber auch der Ankauf neuer EDV-Systeme für die Verwaltung. Und auch jegliche zugekaufte Dienstleistungen müssen ausgeschrieben werden.
Best- statt Billigstbieter
Während das bisherige Gesetz in erster Linie die Beschaffung in legistische Form gegossen hat, sollen künftig verstärkt volkswirtschaftliche Aspekte in die Entscheidungen einfließen. Schon im Herbst 2015 wurde eine Novelle vorgezogen, die das Bestbieter-Prinzip verankerte. Der Preis eines Angebots bleibt zwar auch weiterhin das wichtigste Kriterium bei der Auftragsvergabe - schließlich geht es hier um Steuergelder -, doch es soll nicht mehr das einzige sein, da eben auch volkswirtschaftliche, umweltpolitische und soziale Aspekte für das Land relevant sind. Dadurch sollen beispielsweise Betriebe gestärkt werden, die Lehrlinge und/oder ältere Arbeitnehmer beschäftigen.
Das Bestbieter-Prinzip findet sich naturgemäß auch im neuen Entwurf. Innerhalb der Regierung sowie auch der Sozialpartnerschaft gibt es hier Einigkeit, dennoch ist die Umsetzung eben auch legistisch nicht einfach. Und wie der Entwurf beweist, ist es auch nicht leicht, die unterschiedlichen Interessenlagen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern in Einklang zu bringen.
So wünscht sich das Finanzministerium, dass der Schwellenwert für Direktvergaben von 50.000 auf 100.000 Euro angehoben wird. Das ist zwar bereits jetzt per Verordnung so geregelt und diese würde auch in Kraft bleiben, allerdings kann eine Verordnung auch wieder zurückgenommen werden oder auslaufen.
Die Universität Wien wiederum bemängelt, dass das Billigstbieter-Prinzip grundsätzlich untersagt werden soll. Auch andere öffentliche Stellen wünschen sich hier Wahlfreiheit - vor allem jene, die bereits jetzt hohe Qualitätsanforderungen in die Leistungsbeschreibungen ihrer Ausschreibungen aufgenommen haben.
Der sozialpartnerschaftlichen Initiative "Faire Vergaben" geht wiederum das Bestbieter-Prinzip nicht weit genug. Statt nur einem Qualitätskriterium fordert sie verpflichtend zwei zur "Vermeidung bloßer ,Feigenblattkriterien‘", wie es in der Stellungnahme heißt.
Aufseiten der Auftraggeber hat die Architektenkammer eine Begutachtung vorgenommen. Sie befürchtet eine Schlechterstellung geistiger Dienstleistungen durch das Gesetz, etwa die Planung von Bauprojekten. Dadurch, so die Kammer, sei zu befürchten, dass "schlecht vorbereitete und mangelhaft kontrollierte Bauvorhaben zur Kostenfalle werden". Außerdem vermisst die Kammer ein Einspruchsrecht für Verbände zum Schutz heimischer Klein- und Mittelbetriebe, die zum Teil in großer Abhängigkeit von den öffentlichen Auftraggebern stünden. Dieses ungleiche Machtgefüge zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer könnte sich nun noch weiter in Richtung der (öffentlichen) Ausschreiber entwickeln.