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Die Qual der Sanktions-Wahl

Von Marina Delcheva

Politik
Der Zug für heimische Exporte nach Russland könnte bald abgefahren sein.
© Petair/fotolia

Ob Österreich den verschärften Sanktionen gegen Russland zustimmt, ist noch offen.|Die Wirtschaft bangt um weitere Exporte.


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Wien. Am Wochenende haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland im Zuge der Ukrainekrise geeinigt. Die Kommission soll nun bis kommenden Samstag einen Vorschlag dazu vorlegen. Die größte Herausforderung ist dabei, Russland möglichst empfindlich zu treffen und die wirtschaftlichen Interessen der 28 EU-Staaten trotzdem zu wahren.

"Was es bedeuten kann, wenn man in Europa ohne Folgen Grenzen verschieben und andere Länder sozusagen mit seinen Truppen angreifen kann, das ist aus meiner Sicht eine viel größere Gefahr, als wenn jetzt zeitweise bestimmte Nachteile für die Wirtschaft zu akzeptieren sind", sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel. So klare Worte für eine Verschärfung der Sanktionen finden nicht alle Regierungschefs, denn diese treffen die unterschiedlichen EU-Länder auch unterschiedlich hart. Tschechiens Regierungschef Bohuslav Sobotka hat nach dem Gipfeltreffen angekündigt, keine Sanktionen zu unterstützen, die "unverhältnismäßige Auswirkungen auf die Wirtschaft haben". Wenig Begeisterung kommt auch aus Ungarn, dessen Gasimporte zu 80 Prozent aus Russland stammen. Zudem plant das Land mit Hilfe eines Milliardenkredits aus Moskau den Ausbau des veralteten Atomkraftwerks Paks.

Drohnen-Stopp

Die Kommission ist beauftragt, Verschärfungen in jenen Bereichen auszuarbeiten, in denen bereits Sanktionen gegen Russland verhängt wurden. So könnten schärfere Strafmaßnahmen in der Finanzbranche zu weiteren Einschränkungen für russische Geldinstitute am EU-Kapitalmarkt führen. Auch Technologielieferungen für die Ölindustrie, Kriegsindustrie und für sogenannte Dual-Use-Goods könnten betroffen sein. Das sind Güter, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. "Zum Beispiel unbewaffnete Drohnen könnten auf diese Sanktionsliste kommen", erklärt Johann Sollgruber, Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich. Er vermutet, dass die Sanktionen gegen Russland vor allem im Finanz- und Kriegsindustriesektor weiter verschärft werden. Dafür sollen die Bereiche Erdgasförderung und Gaslieferung ausgenommen werden. "Diese würden sehr viele EU-Staaten unverhältnismäßig hart treffen", so Sollgruber gegenüber der "Wiener Zeitung". Finnland bezieht etwa 100 Prozent seines Erdgases aus Russland. Ein strenges Waffenembargo und eine Exportbeschränkung für sogenannte duale Güter könnte Frankreich hart treffen. Präsident Hollande hält an der Lieferung von zwei Hubschrauberträgern an die russische Marine fest, die den Sanktionen zum Opfer fallen könnten.

Sanktions-Skepsis

Auch Bundeskanzler Werner Faymann ändert den Ton in Richtung Russland: "Putin muss zum Einlenken gebracht werden", sagte er im Krone-Interview. Zeigte er sich vor Kurzem noch skeptisch gegenüber einer Verschärfung der Sanktionen, fordert er nun harte Maßnahmen gegen Russland. "Wir wissen noch nicht, wie diese Sanktionen aussehen werden. Wir bewerten sie erst, wenn sie vorliegen", hieß es auf Anfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Bundeskanzleramt.

Österreichs Wirtschaft hat jetzt schon unter den am 31. Juli verhängten Sanktionen und der russischen Retourkutsche zu leiden. Die österreichischen Exporte nach Russland sind im Zeitraum Jänner bis Mai um knapp zehn Prozent zum Vorjahr zurückgegangen, auch wegen der schwächelnden russichen Konjunktur und dem Verfall des Rubels. Heimische Industriebetriebe klagen bereits über Auftragsausfälle aus Russland. Laut Wirtschaftskammer würden 1200 heimische Unternehmen Waren in Wert von 3,5 Milliarden Euro nach Russland exportieren. 55.000 heimische Arbeitsplätze würden direkt oder indirekt am Handel mit Russland hängen. Deshalb fordert nun Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ein Krisenpaket für heimische Betriebe. Dieses könnte beispielsweise EU-Haftungen oder staatliche Beihilfen für Betriebe enthalten, die aufgrund von Exportausfällen nach Russland um ihre Existenz fürchten müssen. Im Bundeskanzleramt wollte man diese Forderung auf Anfrage nicht kommentieren. Man wolle die konkreten Sanktionsvorschläge abwarten und erst danach eventuelle Krisenpakete besprechen.

Banken bangen

"Weitere Einschränkungen auf dem Finanzmarkt würden auch heimische Banken treffen", sagt Sollgruber. Österreichische Banken gehören zu den größten Kreditgebern in Russland. Dabei warnt er vor allem vor der russischen Antwort auf Sanktionen im Finanzbereich. So könnte der Kreml etwa auf das Sperren von russischen Konten mit dem Einfrieren von Finanzassets und Transaktionen aus dem EU-Raum reagieren.

"Die Auswirkungen der Sanktionen auf das Geschäft der RBI sind zwar sehr gering. Je weiter der Sanktionswettlauf fortschreitet, desto schwerer wird es aber, wieder aufeinander zuzugehen", sagt Karl Sevelda, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International (RBI). Die Bank hat in Russland offene Kredite in der Höhe von 10,3 Milliarden Euro, für die sie eine Rücklage von 70 Millionen gebildet hat. Zudem wirkt sich die Abwertung des russischen Rubels in Folge der schwachen russischen Konjunktur auch negativ auf die Eigenkapitalquote der Bank aus. So hätten Währungseffekte in der Region das Eigenkapital im Zeitraum Juli und August um 0,14 Prozent verringert. Die RBI ist der russische Platzhirsch unter den heimischen Banken.