Mit 1. Jänner tritt die Quotenregelung von Frauen und Männern im Aufsichtsrat in Kraft. Sie ist allerdings lückenhaft.
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Wien. Es war eine der letzten konzertierten Aktionen von SPÖ und ÖVP: Im Juni dieses Jahres brachten die damaligen Noch-Koalitionspartner vor der Nationalratswahl im Oktober einen Initiativantrag für die Quotenregelung in Form des Gleichstellungsgesetzes von Frauen und Männern in Aufsichtsräten (GFMA-G) in den Nationalrat ein. Rein technisch gesehen werden mit diesem Bundesgesetz das Aktien-, GmbH- und Arbeitsverfassungsgesetz geändert. Mit 1. Jänner 2018 tritt die Quotenregelung in Kraft. Dass der Termin von der neuen Regierung, die es noch im Dezember geben soll, gekippt wird, geht sich wohl nicht mehr aus. Nach Inkrafttreten wäre aber theoretisch wieder alles möglich.
Konkret geht es bei der Quotenregelung im Aufsichtsrat darum, dass beide Geschlechter von Kapitalgesellschaften im Ausmaß von mindestens 30 Prozent repräsentiert sein müssen. Allerdings nur dann, wenn die jeweilige Gesellschaft bestimmte Kriterien erfüllt.
Es ist auf vollePersonenzahlen zu runden
So müssen die Unternehmen börsennotiert sein oder dauernd mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen. Zudem muss der Aufsichtsrat aus mindestens sechs Kapitalvertretern (mindestens zwei Frauen und zwei Männer) und die Belegschaft zu mindestens 20 Prozent aus Frauen respektive Männern bestehen. Die Quotenregelung gilt für Wahlen und Entsendungen in den Aufsichtsrat ab 2018.
So weit, so klar. Betrachtet man allerdings die Details und versucht, die Quotenregelung anhand von Fallbeispielen anzuwenden, tun sich Lücken in der Gesetzgebung auf. Die Anwälte Karin Buzanich-Sommeregger und Ludwig Hartenau, Partnerin respektive Pricipal Associate im Wiener Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer, haben sich im Vorfeld intensiv mit der neuen Regelung befasst.
"Das Gesetz scheint in bestimmten Fällen das Verfehlen der Quote zu akzeptieren. Aufgrund der Rundung bei den Personenzahlen zum Beispiel können sich abweichende effektive Quotenanteile ergeben", sagt Buzanich-Sommeregger. Laut Gesetz ist auf volle Personenzahlen zu runden - wobei aufzurunden ist, wenn der errechnete Mindestanteil eine Dezimalstelle von zumindest fünf aufweist. Bei Gesamt- und Getrennterfüllung der Quote können sich aber laut Buzanich-Sommeregger unterschiedliche Gesamtzahlen ergeben.
Geht man zum Beispiel von acht Kapitalvertretern und vier Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat aus - für je zwei Kapitalvertreter ist ein Arbeitnehmervertreter zu bestellen -, so ergibt das eine Gesamtsumme von zwölf Aufsichtsräten. 30 Prozent davon wären 3,6 - durch Aufrunden also vier Quotensitze. Betrachtet man die Kapital- und Arbeitnehmervertreter jedoch getrennt, so kommt man bei 30 Prozent von acht Kapitalvertretern auf 2,4, durch Abrunden auf zwei. 30 Prozent der vier Arbeitnehmervertreter wären 1,2, was abgerundet nur einen Quotensitz ergibt. Die Summe bei Getrennterfüllung der Quote wäre somit lediglich drei im Gegensatz zu den vier Quotensitzen bei Gesamterfüllung.
Wird die Quote nicht erfüllt,bleibt ein "leerer Stuhl"
Rechenspiele wie diese gibt es mehrere. Vom Gesetzgeber nicht eindeutig geklärt sei etwa auch, ob man bei der Quotenregelung bei der GmbH (Verweis auf das AktG im GmbHG) davon ausgeht, dass die GmbH selbst mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen muss, ergänzt Hartenau. Eine zweite mögliche Sichtweise wäre nämlich, dass aufgrund der Geltung von § 30 GmbHG für alle Fälle des § 29 GmbHG dessen Zusammenrechnungsregelungen für die Beurteilung der Aufsichtsratspflicht auch für die Beurteilung der Anwendbarkeit der Quotenregelung gelten. Bei einer GmbH, die zum Beispiel selbst zehn Arbeitnehmer und je 500 in jeder einzelnen Gesellschaft beschäftigt, besteht Aufsichtsratspflicht - kommt die Zusammenrechnungsregelung bei der Quote nicht zur Anwendung, müsse man diese jedoch nicht erfüllen.
Bleibt noch die Frage, welche Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Quotenregelung drohen. "Ist die Quote nicht erfüllt, ist die Bestellung oder Entsendung grundsätzlich nichtig", sagt dazu Buzanich-Sommeregger. Der nicht der Quotenregelung entsprechend besetzte Posten bleibt in diesem Fall ein "leerer Stuhl" - also unbesetzt.
Ganz so eindeutig ist die Rechtslage dann aber doch wieder nicht. Denn Beschlüsse, die von einem nicht korrekt zusammengesetzten Gremium gefasst werden, seien wohl grundsätzlich gültig, so Buzanich-Sommeregger. Hätte man jedoch bei einem korrekten Verfahren ohne "leeren Stuhl" ein anderes Ergebnis erzielt, ist das Ergebnis ungültig. Theoretisch kann man also ohnehin nur Beschlüsse fassen, für die eine einfache Mehrheit notwendig ist. Beim Prüfen, ob das Präsenz- und Konsensquorum auch ohne die Stimme des Aufsichtsrat-Mitgliedes erfüllt ist, kann es aber diffizil werden.
Das Phänomen dergoldenen Röcke in Norwegen
Ist ein Aufsichtsrat nicht beschlussfähig, ist man jedenfalls gesetzlich verpflichtet, den "leeren Stuhl" sofort zu besetzen. Ist die Beschlussfähigkeit schon gegeben, gibt es eine Frist von drei Monaten. In der Praxis wird die Nichtigkeit von Beschlüssen aufgrund eines "leeren Stuhls" aber mitunter erst beim Verkauf der Firma oder bei Insolvenzen relevant, wenn es um die Haftungsfrage geht.
Bei Unklarheiten in der praktischen Anwendung der Quotenregelung kann man sich nur bedingt an Deutschland orientieren. Dort ist diese zwar schon seit 2016 in Kraft, die Quote ist jedoch eine flexible. Die Eckpunkte wie eine Geschlechterquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Posten sind ähnlich. Im Unterschied zu Österreich ist die Quote aber nur eine Zielvorgabe, wobei man bereits bei den unteren Vorständen ansetzen soll, um diese zu erreichen.
In Norwegen sei die Gesellschaft bezüglich Quote viel weiter, sagt Buzanich-Sommeregger - und bereits an gewisse Grenzen gestoßen. Die zu erreichende Quote für Aufsichtsräte liegt dort seit 2006 bei 40 Prozent. Allein - es gibt nicht genug Frauen dafür. Diejenigen, die für Gremien wie diese in Frage kommen, sind meist die gleichen. "Man spricht vom Phänomen der goldenen Röcke."