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Die Rache der alten Eliten

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

In Rumänien wurde die Korruptionsjägerin Laura Kövesi einvernommen. Die Vorwürfe gegen sie sind mehr als dubios.


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Bukarest/Alexandria. Sie ist Rumäniens Regierenden so verhasst, dass sie ihr kein hohes Amt in Brüssel gönnen - nachdem sie bereits ihre Absetzung als Chefanklägerin in Korruptionsfällen bewirkt hatten: Laura Kövesi wurde mit fadenscheiniger Begründung von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Der Termin wurde just für den Tag angesetzt, an dem Kövesi ins Flugzeug nach Brüssel steigen wollte - zu Anhörungen im Zuge ihrer Bewerbung für die Spitze der geplanten EU-Staatsanwaltschaft, die ab 2020 die Ermittlungen zu Veruntreuung von EU-Fonds koordinieren soll. Kövesi gilt hierbei als Favoritin.

Doch sie erschien am Freitag pflichtschuldigst zum Verhör in Bukarest, flankiert von Hochrufen ihrer Fans. Dabei wurde bestätigt, was Kövesi vorher vermutet hatte: Die Vorwürfe gegen sie - Annahme von Schmiergeld, Amtsmissbrauch und Falschaussage - stützen sich auf die Anzeige eines nach Serbien geflohenen rumänischen Geschäftsmannes, gegen den in Rumänien fünf Ermittlungsverfahren laufen. Er behauptete, Kövesi habe dubiose Machenschaften im Zusammenhang mit der Auslieferung eines in Rumänien verurteilten Geschäftsmanns aus Indonesien in die Heimat zu verantworten.

Staatsanwältin mit Konsequenz

Kövesi stellte klar, dass sie für diese Auslieferung nicht zuständig gewesen sei, sondern allein die Polizei. Was die Polizei bestätigte. Damit haben sich einmal mehr die Folgen des Abbaus gezeigt, den Rumäniens Regierung am Rechtsstaat betreibt. Die Spezialeinheit, die jetzt gegen Kövesi vorgeht, ist nämlich trotz Kritik der EU-Kommission, der Venedig-Kommission und der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) im vorigen Jahr geschaffen worden. Diese Gremien hatten Bedenken wegen der drohenden Unterwerfung dieser neuen Einheit unter die Politik. Strippenzieher gegen Kövesi in Bukarest ist der mächtige Chef der mitregierenden Sozialdemokraten (PSD) Liviu Dragnea, der nicht selbst Premier werden darf, weil er vorbestraft ist.

Kövesi hatte im Herbst 2006 die positive Wende in Rumäniens Antikorruptionspolitik eingeleitet, als sie mit nur 33 Jahren Generalstaatsanwältin des Landes wurde - gefördert von der damaligen bürgerlich-liberalen Regierung. Sie holte viele junge Juristen in ihre Truppe, die Anklagen kamen im Eiltempo, tausende Amtspersonen wunden wegen Korruption verurteilt. Erstmals wanderte sogar ein früherer Ministerpräsident - der Sozialdemokrat Adrian Nastase (2000-2004) - hinter Gitter. Vor allem fassten immer mehr Rumänen den Mut, Korruptionsdelikte anzuzeigen. Hilfreich war dabei auch eine enge Kooperation mit den Geheimdiensten, die aber inzwischen für verfassungswidrig erklärt wurde. 2013 übernahm Kövesi die Führung der Antikorruptionseinheit (DNA). Formell sank sie dabei hierarchisch um eine Stufe, faktisch aber war weiterhin Kövesi diejenige, die den Kurs beibehielt, der Rumänien alljährlich von Seiten der EU-Kommission viel Lob einbrachte.

Doch die Power der DNA hat auch eine Kehrseite. Das Antikorruptionsprogramm ist nicht überall gut angekommen. Immer wieder wurden wegen Korruption verurteilte Lokalpolitiker wiedergewählt. Grund dafür ist das mediale Übergewicht der Gegner Kövesis - darunter vor allem der Sender "Antena3", der vom schwerreichen Dan Voiculescu kontrolliert wird, dem einstigen Devisenbeschaffer des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu. "Antena 3" hat von allen Nachrichtenkanälen des Landes die höchsten Einschaltquoten. Dieser Sender - aber auch Medien, die den Kampf gegen Korruption unterstützten - brachte jahrelang fast pausenlos Bilder mit angeklagten und verurteilten Politikern in Handschellen. Dies weckte Mitleid für die Angeklagten. Von den Sündern war dabei viel die Rede, seltener vom angerichteten Schaden. Ein Kommunikationskonzept für ein Publikum, das seit Generationen mit Korruption als Überlebensstrategie lebt, hätte anders aussehen müssen.

"Stockholm-Syndrom"

Zwar haben immer wieder hunderttausende Rumänen in den größeren Städten für eine freie Justiz demonstriert. Aber auf dem flachen Land sieht die Welt anders aus - zum Beispiel in Alexandria, der Heimat von Dragnea. Er war hier jahrelang Kreisvorsitzender und hat von hier aus seine PSD-Karriere gestartet. Die Kleinstadt mit ihren 45 000 Einwohnern 80 Kilometer westlich von Bukarest liegt mitten in der agrarisch geprägten, rückständigen Region Teleorman, deren Name sich aus dem türkischen "deli orman" - zu deutsch: "der verrückte Wald" - herleitet.

Hier treffen wir an einem Wintertag die Rentnerin Floarea Trifu. Sie will gerade ins Büro des Rentnervereins (CAR) gehen, um dort ihren Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. CAR ist eine Art Bank und soziale Einrichtung, die Rentnern kleine Darlehen erteilt und allerlei bitter nötige Beihilfen gewährt. Frau Trifu, früher Arbeiterin in einer Konservenfabrik, ist 68 Jahre alt. Ihre Rente von 640 Lei (136 Euro) reicht nicht für die Heizung: "Morgens, wenn ich aufwache, hat es 11 Grad in meinem Zimmer. Abends fülle ich heißes Wasser in Flaschen und nehme sie mit ins Bett".

Was hält sie nun vom vorbestraften Dragnea, der außerdem wegen Beihilfe zum Amtsmissbrauch vor Gericht steht und wegen Veruntreuung von EU-Geldern im Visier der Staatsanwaltschaft? "Ich glaube nicht, dass er schuldig ist", sagt Frau Trifu. "Warum sollen immer nur sie (PSD-Politiker) schuldig sein?" Ihre einzigen Informationsquellen sind "Antena3" und der politisch ähnlich tickende Sender "Romania TV". Dabei trug sich Dragneas mutmaßliche Anstiftung zum Amtsmissbrauch, die ihm - noch nicht rechtskräftig - eine Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Haft eingebracht hat, just in Alexandria zu: Zwei Frauen, die für die PSD gearbeitet haben, sollen auf Betreiben Dragneas fiktiv bei der örtlichen Kinderschutzbehörde angestellt und von dieser bezahlt worden sein. Auch Dragneas luxuriöses Anwesen in Alexandria weckt bei der alten Frau keine Empörung. Schießlich hat sie es noch nie gesehen, weil es gut hinter bescheidenen kleinen Häusern versteckt ist. Man kann es nur mithilfe eine Drohne fotografieren. Es ist eine Villa auf einem Grundstück, das größer ist als ein Fußballplatz, mit Swimmingpool und beleuchtetem Tennisplatz.

"Stockholm-Syndrom" - krankhafte Sympathie des Opfers für den Täter - nennt die Lokaljournalistin Carmen Dumitrescu solche Reaktionen armer Rentner. Die 33-jährige ist eine der wenigen Reporterinnen, die Dragnea in Alexandria auf der Spur sind. Das hat ihr Drohbotschaften eingebracht. Ihre Artikel hatten die Ankläger auf die Spur der fiktiven Jobs beim Kinderschutzamt gebracht. Mit ihrer Kollegin Monica Vasilescu produziert sie die Zeitung "Liber in Teleorman" ("Frei in Teleorman") - derzeit nur online und ohne jede Bezahlung.

Anfang 2017, nachdem das Blatt zu Protesten gegen Dragnea aufgerufen hatte, waren alle Werbekunden abgesprungen. Dumitrescu lebt jetzt von freier Mitarbeit für Bukarester Medien. Gibt es außer dem "Stockholm-Syndrom" noch mehr Erklärungen für die Macht Dragneas? Dumitrescu klingt erfrischend ehrlich: "Früher habe sogar ich selbst Dragnea bewundert." Das war vor zehn Jahren, als sie aus der nordöstlichen rumänischen Region Moldau nach Alexandria zog, wegen ihres Lebensgefährten. "Damals wirkte Dragnea wie der Einzige von allen Lokalpolitikern, der klar reden kann. Ich hielt ihn deswegen für den Klügsten".

Dragneas Netzwerk

Zunächst habe er seine lokalen Rivalen ausgeschaltet, um ab 2012 seine Macht in der Bukarester Parteizentrale auszubauen. Hilfreich war ihm dabei sein Mandat als Minister für Regionale Entwicklung von 2012 bis 2015. Dieses Ressort ist der Hebel zur Macht, weil es Gelder an Lokalpolitiker verteilt und damit deren Loyalität erkauft. Zugute kam ihm auch ein Vakuum an der PSD-Spitze: Der Vorsitzende Nastase kam 2012 ins Gefängnis. Sein Nachfolger, Victor Ponta, stürzte 2015 über Korruptionsvorwürfe und wegen einer Feuerkatastrophe in einem Nachtclub mit 64 Todesopfern, für den viele auch heute noch die Politik verantwortlich machen. Dragnea folgte auf Ponta. Die Reporterin Dumitrescu sieht auch ganz Persönliches hinter Dragneas Erfolg. "Immer versucht er herauszufinden, zu welchem Preis man käuflich ist."