Die EU will jetzt Polen oder Ungarn de facto bestrafen, weil sie keine Migranten nehmen. Klug ist das nicht.
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Es klingt vorerst wie eine überschaubar interessante Nachricht aus dem Maschinenraum der Europäischen Union: Brüssel, so schlägt die EU-Kommission neuerdings vor, soll die Zahlungen aus dem sogenannten "Kohäsionsfonds" an ärmere Mitgliedstaaten künftig nicht mehr bloß anhand der Wirtschaftsleistung berechnen, sondern auch die Höhe der Jugendarbeitslosigkeit sowie die "Belastung durch Migrationswellen" berücksichtigen. Dabei geht es um sehr viel Geld. In der laufenden Budgetperiode (2014-2020) flossen und fließen unter diesem Titel insgesamt 350 Milliarden Euro an die Mitgliedstaaten. Und weil dabei die ärmeren weit überproportional berücksichtigt werden, ging bisher sehr viel Geld an die ehemals kommunistischen Staaten im Osten der Union, allen voran Polen und Ungarn.
Setzt sich die Kommission mit ihrem Plan durch, wäre dies de facto die von der deutschen Bundeskanzlerin seit über einem Jahr zwischen den Zeilen immer wieder geforderte Bestrafung jener Osteuropäer, die sich beharrlich weigern, illegal eingereiste Migranten auf ihrem Staatsgebiet aufzunehmen, zugunsten von Griechen oder Italienern. Vor allem Warschau und Budapest würden dann gleichsam die Quittung dafür bekommen, sich dem Diktat der Berliner Regierungschefin nicht gebeugt zu haben, die zuerst Millionen Migranten ins Land gelassen hat und die daraus, no na, resultierenden Probleme aller Art per Zwangsquote den anderen EU-Staaten umhängen wollte.
Dass Berlin meint, eine Art Züchtigungsrecht gegenüber dem Rest Europas zu besitzen, ist leider offenbar eine Art Kontinuität der deutschen Geschichte. Doch die anderen EU-Staaten wären schlecht beraten, Frau Merkel das Ausleben dieser düsteren Neigung mit dem Geld der europäischen Steuerzahler zu gewähren. Denn damit würde die heute schon sichtbare Spaltung Europas zwischen Ost und West dramatisch vertieft; was ja nicht wirklich im Sinne des vermeintlichen "Friedensprojektes" sein kann.
"Eigentlich sind die Westeuropäer auf dem Weg, eine Teilung Europas durchzuführen", fürchtet Ex-Vizekanzler und Osteuropa-Kenner Erhard Busek nicht ohne Grund, eine massive finanzielle Benachteiligung als Disziplinierungsmaßnahme würde diese Teilung wohl endgültig machen. Dazu kommt, dass eine Koppelung der Transfermilliarden an die Jugendarbeitslosigkeit jene belohnt, die eine schlechte bis desaströse Wirtschaftspolitik betreiben oder jedenfalls betrieben haben, während jene bestraft werden, die trotz ihrer relativen Armut vernünftig und somit erfolgreicher wirtschaften, wie etwa die Balten, Tschechen, Ungarn oder Polen.
Damit entstünde letztlich ein geradezu perverses Anreizsystem, Jugendarbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen, um nicht die Kohle aus Brüssel zu verlieren. Noch erstaunlicher ist schließlich, dass mehr Migranten in einem Land zu höheren Subventionen führen sollen. Hat uns nicht gerade Frau Merkel erklärt, welche Bereicherung die Migranten für den Arbeitsmarkt und das Pensionssystem seien, "wertvoller als Gold", wie Herr Schulz von der SPD zu sagen pflegte? Wenn das stimmt, müssten doch eher jene EU-Staaten subventioniert werden, die nicht das Glück haben, dieses Segens teilhaftig geworden zu sein. Aber diese Debatte führt Berlin leider nicht; warum auch immer.