Zum Hauptinhalt springen

Die Rache der Vergangenheit

Von Simon Rosner

Politik

Experten befürchten wirtschaftliche Nachteile.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"In Österreich wurde bei Korruption lange zugeschaut", sagt Franz Fiedler von Transparency International.
© Votava

Wien. A wie Alcatel, B wie Buwog, C wie Constantia, D wie Dobernig, E wie Eurofighter und so weiter. Problemlos ließe sich aus publik gewordenen Fällen, in denen zumindest ein Korruptionsverdacht im Raum steht oder stand, eine Art Lexikon des Sittenverfalls der österreichischen Politik und Wirtschaft erstellen. Und ein Zusammenhang zwischen dem Anstieg des publizistischen Gebrauchs der Unschuldsvermutung und dem Absturz in Korruptionsindizes lässt sich ebenfalls recht simpel ziehen.

Von einem Top-Ten-Platz vor sechs Jahren hat sich Österreich in dem von Transparency International (TI) herausgegebenen Index immer weiter entfernt. Im Vorjahr lag Österreich noch auf Platz 16, in diesem Jahr fiel man auf Platz 25 zurück. Weltweit ist das zwar ein respektabler Platz, schließlich scheinen 176 Länder in diesem Korruptionsindex auf. Zieht man als Vergleich jedoch nur die entwickelten Industriestaaten heran, findet sich Österreich nur noch im unteren Drittel der Liste wieder.

Nordeuropa ganz vorne

"Das sollte dem Land zu denken geben", sagt der Politikwissenschafter und Beirat von TI-Austria, Hubert Sickinger. Der von Transparency erstellte Index konzentriert sich auf Korruption im öffentlichen Sektor und bildet eine Wahrnehmung ab. Einschätzungen aus 13 Quellen fließen in den Index ein, darunter eine Umfrage des World Economic Forum, eine Studie der Weltbank sowie Expertisen von internationalen Unternehmensberatern.

Auf Rang eins finden sich in diesem Jahr Dänemark, Finnland und Neuseeland mit jeweils 90 von 100 Punkten, Österreich kommt als 25. auf 69 Punkte, noch hinter den Bahamas, Chile und Uruguay. Dass sich die skandinavischen Länder seit Jahren auf den ersten Rängen behaupten, ist kein Zufall, wie der Wirtschaftswissenschafter Friedrich Schneider von der Kepler-Universität in Linz erklärt. In Dänemark würden Unternehmen, die bei öffentlichen Vergaben schmieren oder zu schmieren versuchen, für fünf Jahre von weiteren Vergaben ausgesperrt. "Das könnte man auch in Österreich einführen", sagt Schneider.

Compliance wird wichtiger

Der Wissenschafter verweist in diesem Zusammenhang auf den volkswirtschaftlichen Schaden, der durch Korruption entsteht. Ihn zu beziffern, ist freilich nicht so einfach, er dürfte aber im zweistelligen Euro-Milliardenbereich liegen. Pro Jahr. Es überrascht in dieser Hinsicht auch nicht, dass sich Staaten wie Griechenland, Spanien und Italien seit Jahren auf den letzten Rängen in der Wertung der entwickelten Industriestaaten finden. Bei den Ländern auf den vorderen Rängen finden sich gewisse Parameter wie ein hohes Bruttoinlandsprodukt und eine geringe Ungleichheit, diese fehlen den Staaten im hinteren Feld teilweise, die Korruption hemmt sie aber andererseits auf ihrem Weg zu Wachstum und Wohlstand.

Der ökonomische Schaden ist aber auch deshalb schwer zu beziffern, da Korruption nicht immer und überall gleich bewertet wird und wurde. Doch in den vergangenen Jahren haben auch Unternehmen umgedacht, wie Bettina Knötzl, Korruptionsstrafrechtlerin von der Kanzlei Wolf Theiss, sagt. "Begonnen hat es in den USA und in Großbritannien, etwa mit dem UK Bribary Act. Das hat eine Welle ausgelöst", sagt sie.

Der Bedarf an Regeltreue bei Unternehmen steigt seither, und zunehmend sind festgeschriebene Compliance Regeln eine Voraussetzung für Geschäftsabschlüsse. Dass sich Österreich im Transparency-Index auf dem absteigenden Ast befindet, schade unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls dem Wirtschaftsstandort, glaubt Knötzl. "Ich kenne Mandanten, die sich deshalb aus gewissen Gebieten zurückziehen. Russland etwa hat hier ein echtes Problem." Russland befindet sich gegenwärtig auf dem 133. Rang, hinter den meisten afrikanischen Ländern. "Österreich hat mittlerweile aber auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Ländern in Nordeuropa", sagt Knötzl.

Doch auch in Österreich hat sich beim Anti-Korruptionskampf einiges getan. Nur eben mit ein paar Jahren Verzögerung, wie das hierzulande generell nicht unüblich ist. Seit 2008 ist das sogenannte Anfüttern von Beamten verboten, es gibt neue Transparenzregeln, ein neues Anti-Korruptionsgesetz, und viele Fälle wurden in den vergangenen Jahren publik und werden nun aufgearbeitet. "Das zeigt, dass das offenbar doch ein Anliegen des Gesetzgebers ist", sagt Franz Fiedler, der Beiratspräsident von Transparency International Austria.

Schädigung der Demokratie

Allerdings seien noch nicht alle Gesetzesnovellen in Kraft, rügt Fiedler, der auch einmahnt, den eingeschlagenen Weg nun konsequent weiterzugehen. "In Österreich wurde lange zugeschaut, mit der Vergangenheit muss man nun konsequent aufräumen", sagt Fiedler. Nur so könne Österreich im Korruptionsindex wieder nach oben klettern.

Karin Mair, ebenfalls im Beirat von Transparency International und bei Deloitte im ForensikBereich tätig, fordert auch bessere Rahmenbedingungen und gesetzliche Regelungen für Hinweisgeber. Die Kronzeugenregelung habe sich bereits bewährt; was fehle, seien konkrete Mechanismen, um Hinweisgeber zu schützen. "Die meisten Whistleblower sind kurz nachdem sie einen Hinweis gegeben haben arbeitslos", sagt Mair.

Abgesehen von den wirtschaftlichen Folgen einer schlechten Platzierung im Transparency-Ranking ortet Hubert Sickinger auch demokratiepolitische Nachwirkungen. Das Vertrauen in Politik und Justiz sei zuletzt stark gesunken, "ein Reinemachen ist deshalb wichtige demokratiepolitische Hygiene", sagt Sickinger.

Transparency International fordert in diesem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft nicht mehr dem Justizministerium weisungsgebunden sein soll, sondern eine andere Konstruktion dafür gefunden werden müsse. Fiedler stellt das Modell eines Generalstaatsanwalts zur Debatte. Es ist nicht zum ersten Mal, dass dies hierzulande diskutiert wird. Im Justizministerium verweist man jedoch auf negative Erfahrungen in anderen Ländern, in denen bei der Bestellung eines solchen Generalstaatsanwalts ein parteipolitisches Hickhack ausgebrochen sei. In Österreich, so viel Realismus ist angebracht, wäre das vermutlich auch nicht anders.