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"Die Rechte in Frankreich ist stark gespalten"

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Renommierter Pariser Politologe im Interview mit der "Wiener Zeitung". | "WienerZeitung":In knapp zwei Monaten sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen. Welche Richtung wird das Land einschlagen?


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PascalPerrineau: So wie es aussieht, geht es nach rechts. Diese Kandidaten kommen laut Umfragen gemeinsam auf einen Stimmenanteil von 60 Prozent gegenüber 40 der Linken.

Bedeutet das, dass der konservative Kandidat, Nicolas Sarkozy, auf Siegeskurs ist?

Da muss man aufpassen, denn das rechte Lager ist stark aufgesplittert. Die Wähler des rechtsextremen Kandidaten Jean-Marie Le Pen gehen beispielsweise nicht in der klassischen Rechten auf.

Und wie steht es mit dem zentrums-konservativen Kandidaten François Bayrou?

Er steht für die zweite Spaltung des rechten Lagers. Zwischen ihm und Sarkozy hat sich ein Persönlichkeitswahlkampf entwickelt. Trotz aller Konkurrenz liegt Sarkozy aber klar vor Bayrou. Sollte dieser dennoch weiter zulegen, wäre in erster Linie die sozialistische Kandidatin Ségolène Royal gefährdet.

Warum?

Einerseits wenden sich von Royal enttäuschte Sozialisten aus der Mittel- und Oberschicht François Bayrou zu. Andererseits haben es linke Kandidaten schon mehrere Male in der Fünften Republik nicht in die Stichwahl geschafft.

Angeblich überlegen die Kommunisten eine Wahlempfehlung für Bayrou abzugeben, um Sarkozy zu verhindern. Wie sehen Sie das?

Das sind nur Gerüchte. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Abgesehen davon wären die Kommunisten mit allerhöchstens drei bis vier Prozent der Stimmen komplett marginal.

Darf man sich einen radikalen Wandel der französischen Politik nach der Wahl erwarten?

Die politische Erneuerung betrifft eher den Stil als die Basis der Politik. Weder mit Royal noch mit Sarkozy wird sich beispielsweise die französische Außenpolitik grundlegend ändern.

Und die Wirtschaftspolitik?

Da sollte man Royal und Sarkozy auch nicht zu sehr gegenüberstellen. Die Zwänge, die auf Unternehmen lasten, werden sicher eher mit Sarkozy erleichtert. So sehr sich Royal darum bemühen will, sie muss doch den linken Kräften gehorchen, die sie unterstützen und die in Frankreich sehr stark für eine staatlich regulierte Wirtschaft eintreten. Das heißt aber nicht, dass Sarkozy ein ultraliberales Programm durchsetzen könnte. Das ist in Frankreich absolut unmöglich.

Nach dem gescheiterten Referendum über die EU-Verfassung hat Sarkozy angekündigt, einen Teil des Regelwerks annehmen zu wollen. Ist das nicht schwer möglich?

Es handelt sich nur um eine Ausgangsposition, die später verhandelt wird. Sarkozy ist schließlich gezwungen, sehr vorsichtig zu sein, weil eine große Mehrheit der Franzosen gegen die Verfassung ist.

Wie würde es im Fall Royal aussehen?

Sehr ungewiss. Frau Royal hat hier, wie auf sehr vielen anderen Gebieten, noch keine klaren Positionen erkennen lassen.