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Rechtsextreme Bürgerwehren ziehen erneut durch Roma-Viertel in ungarischen Ortschaften.
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Die Zeit der Aufmärsche schien vorbei. Vor drei, vier Jahren noch konnten sie sich auf den größten Plätzen Budapests formieren, in ihren schwarzen Hosen und Westen, den Schirmkappen mit dem rot-weiß-gestreiften Emblem und wehenden Fahnen über ihren Köpfen. Doch dann wurde die rechtsextremistische paramilitärische "Ungarische Garde" verboten, die gegen Roma und andere Minderheiten hetzte.
Allerdings kann sich Jobbik auch auf andere Organisationen stützen. Jobbik ist die rechtsnationalistische Partei, die bei der Wahl im Vorjahr den Sprung ins Parlament in Budapest geschafft hat und mit der "Ungarischen Garde" eng verbunden war. Und nicht nur mit der. Da gibt es auch noch die Bürgerwehr "Für eine schönere Zukunft". Sie ist nicht verboten - und sie marschiert noch immer.
In den Orten Gyöngyöspata, Hejöszalonta, Hajduhadhaz, im Norden und Nordosten Ungarns, waren die Mitglieder der Bürgerwehr in den vergangenen Wochen unterwegs, zogen in ihren Springerstiefeln und Tarnhosen vor allem durch die Roma-Viertel. Dies solle eine Demonstration gegen "Zigeunerkriminalität" sein, gegen Diebstähle und andere Verbrechen, die die Roma angeblich begehen.
Die Angst vor einer neuen Reihe von Angriffen wie 2008 und 2009 wächst. Die damaligen Ereignisse sind nun Gegenstand eines Prozesses, der Ende März begonnen hat. Vier Männer sind des sechsfachen Mordes angeklagt, des Mordes an Roma. Zwei der Opfer waren ein 27-jähriger Familienvater und sein fünfjähriger Sohn.
Die konservative Regierung von Premier Viktor Orban bemüht sich zu zeigen, dass sie konsequent gegen Rechtsextremismus vorgeht. Die Patrouillen der Bürgerwehr "Für eine schönere Zukunft" in dem Ort Hajduhadhaz seien verboten worden, verkündete Innenminister Sandor Pinter am gestrigen Donnerstag. Doch am gleichen Tag kündigte Jobbik an, die Aktionen fortsetzen zu lassen. Das Verbot der Märsche entbehre nämlich "jeglicher Rechtsgrundlage".
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Recht und Ordnung: Das sind die Schlagworte, die Jobbik-Abgeordnete gerne gebrauchen. Auch den Begriff "Zigeuner" verwenden sie häufig. Wenn sie ausländische Journalisten in ihren Büroräumlichkeiten im Budapester Parlament empfangen, erklären sie dann, dass selbst manche Vertreter der Volksgruppe sich lieber so nennen als Roma oder Sinti.
"Wir sind nicht zigeunerfeindlich", sagt etwa der Parlamentarier Adam Mirkoczki. "Aber die Probleme belasten alle Ungarn." Dass diese Probleme mit Mangel an Bildung und Jobs zusammenhängen, will er gar nicht leugnen. Doch sieht er nicht in erster Linie soziale Vernachlässigung dahinter, sondern Integrations-Unwillen der Betroffenen selbst.
Sein Fraktionskollege Zoltan Balczo hatte auch einen Vorschlag parat, um die Bildungschancen von Roma-Kindern zu heben. Diese könnten unter der Woche in Schülerheime gesteckt werden, damit sichergestellt werden könne, dass sie in die Schule gehen. Als Zwangsinternate wollte Balczo die Einrichtungen freilich nicht bezeichnet wissen.
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Als "unannehmbar" hat die EU-Kommission die Einschüchterungen der Roma durch die marschierenden Jobbik-Anhänger bezeichnet. Doch könne Brüssel kaum gegen die rechte Bürgerwehr vorgehen, erklärte Justizkommissarin Viviane Reding. Sie rief Ungarns Regierung zum Handeln auf. Budapest hat derzeit den EU-Vorsitz inne. Und plädiert für mehr Maßnahmen zur Integration der Roma.