Nach dem satten Plus am Wahltag heißt es für die FPÖ nun vor allem: Pokern um die Regierungsbeteiligung.
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Wien. Heinz-Christian Strache hat es geschafft - fast. Ein Plus von 5,5 Prozentpunkten und vorläufig 26 Prozent der Wählerstimmen, und das trotz der Konkurrenz von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der, wie es aus der FPÖ heißt, ja nur das FPÖ-Wahlprogramm kopiert habe. Noch lebt sogar die Chance, die Sozialdemokraten vom zweiten Platz zu verdrängen. Am Wahlsonntag verwies Strache beharrlich auf entsprechende Hochrechnungen, die ihn und die FPÖ vor der SPÖ sahen.
Strache kann sich nicht nur als Sieger fühlen, es gilt als mehr als nur wahrscheinlich, dass die FPÖ einer künftigen Regierung angehören wird. Die satten Zugewinne für die Rechtspopulisten dürften dem aktuell längstdienenden Parteichef in Österreich außerdem auch parteiintern den Rücken stärken. Etwaige Diskussionen, ob Strache nicht bald nach der Wahl durch Norbert Hofer abgelöst werden könnte, sollten mit dem Wahlerfolg fürs Erste beendet sein. Den Dritten Nationalratspräsidenten hatten nach dessen Erfolgen bei der Präsidentschaftswahl nicht nur Politikbeobachter, sondern auch so manches FPÖ-Mitglied schon als kommenden neuen Parteichef gesehen. Jetzt wird es wohl Strache sein, der die Früchte des Wahlerfolgs erntet. Bleibt nur die Frage, in welche Koalition er seine Partei führen wird.
FPÖ im Koalitionspoker
Am späteren Sonntagabend wartet die FPÖ-Anhängerschaft bei Bier und Imbiss sowie den gewohnten Klängen der "John Otti Band" in der Wiener Marxhalle auf ihren Spitzenkandidaten. Die Anhänger einer rot-blauen Koalition sind hier klar in der Minderheit: mit der ÖVP würden sich wohl die meisten der FPÖ-Forderungen umsetzen lassen, so der Tenor auf der Wahlparty, auf der übrigens ein Redakteur des Privatsenders "Puls 4" von einem bisher unbekannten FPÖ-Fan ins Gesicht geschlagen wurde - aus rassistischen Motiven, wie es seitens des Senders heißt. Der Journalist hat Migrationshintergrund.
Am liebsten also mit der Kurz-ÖVP. Freilich, zuerst gilt es, im Koalitionspoker der kommenden Wochen keine Fehler zu machen. Wenig verwunderlich also, dass am Sonntagabend kein FPÖ-Funktionär bereit war, gegenüber der "Wiener Zeitung" eine Koalitionspräferenz zu äußern. Stattdessen musste in der "ZiB 2" am Sonntagabend der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner ausrücken, um der ÖVP gleich vorab zu unterstellen, man würde ja in der ÖVP parteiintern ohnehin gerne wieder mit der SPÖ koalieren. "Vor allem unsere Forderung nach direkter Demokratie", sagt der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus auf die Frage, welche freiheitlichen Forderungen sich denn unbedingt in einem etwaigen Koalitionsprogramm wiederfinden müssten. "Zuwanderungsstopp, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit", ergänzt der von Bürgermeister Michael Häupl verhinderte stellvertretende Stadtschulratspräsident Maximilian Krauss, der nun neu in den Nationalrat einziehen wird. Aber: "Es ist viel zu früh, das zu bewerten. Wir reden mit allen."
Innen- oder Außenministerium?
Ähnlich wortkarg reagieren die FPÖ-Politiker auf die Frage, welche Ministerposten für ein Zustandekommen von Schwarz-Blau für die FPÖ unumgänglich wären. Einzig das deutschnationale Urgestein und Partei-Rechtsaußen Andreas Mölzer nannte am Montag im Ö1-"Morgenjournal" die vier Schlüsselressorts, von denen die FPÖ laut Mölzer mindestens zwei bekommen müsse: "Äußeres, Inneres, Soziales und Finanzen". Mölzer hat Zweifel an der Redlichkeit der Konservativen. Dass die unter Kurz aus Image- und Kampagnengründen auf türkis umgefärbte ÖVP unter Kurz gänzlich anders funktionieren könnte als im Jahr 1999 unter Wolfgang Schüssel, will Mölzer nicht so recht glauben. Es gelte daher, den Preis in den Koalitionsverhandlungen so weit als möglich in die Höhe zu treiben.
Strache weiß allerdings genau: selbst wenn Sebastian Kurz die blauen Personalwünsche erfüllen würde, könnte Bundespräsident Alexander Van der Bellen der FPÖ einen Strich durch die Rechnung machen. Mehrmals hatte der Präsident in den vergangenen Wochen betont: eine von ihm angelobte Regierung müsse sich auf einen streng pro-europäischen Kurs verpflichten. Ein Außenminister Norbert Hofer, von Kurz‘ Gnaden? Wohl eher unwahrscheinlich, dass Van der Bellen eine so zwangsweise heraufdräuende Auseinandersetzung mit Brüssel in Kauf nehmen würde. Eine Präambel, sagt Andreas Mölzer, "in der man überall abschwören muss", so wie dies unter Schüssel und Haider vereinbart wurde, dürfe es aber diesmal nicht geben.
Warten auf die SPÖ
Fraglich also auch, wie viel angesichts solcher Querschüsse von Straches Positionierungs-Vorarbeit im Wahlkampf ("Ja, wir bekennen uns klar zur europäischen Familie") übrig bleiben wird. Das Innen-und das Sozialressort würden Strache ohnehin viel besser bei der Umsetzung seiner Wahlversprechen dienlich sein.
Ob das Pokermatch für die Blauen gut ausgeht, hängt zudem nicht unwesentlich von den Vorgängen in der SPÖ ab: deren amtierender Wiener Parteiflügel hält - wohl auch angesichts der Gemeinderatswahl 2020 - nicht viel von Rot-Blau, wie entsprechende Statements der Wiener Genossen am Wahlabend vermuten ließen. Richtung Regierung, möglicherweise auch mit der FPÖ, will jedenfalls Gewerkschaftschef Erich Foglar. Für die blauen Königsmacher ist nun also vor allem eines angesagt: Feindbeobachtung.