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Die Rechtsbeugung in Kärnten geht weiter

Von Haimo L. Handl

Gastkommentare

In fast sämtlichen österreichischen Medien und Wortmeldungen wurde die Aufstellung von drei zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten auf Geheiß des Verfassungsgerichtshofs als Schritt in die richtige Richtung kommentiert.


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Zu dieser schönfärberischen Sicht ein notwendiger Kontrapunkt: In Österreich wird die Verfassung den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen und politischen Gepflogenheiten angepasst. Sie hat Novellen wie kaum eine andere in einem demokratischen Staat. Nur dank einer fehlenden Zweidrittelmehrheit wurden Missachtungen der Verfassung in Kärnten nicht durch Änderung der entsprechenden Verfassungsgesetze in geltendes Recht konvertiert. Nun dient wieder eine Zweidrittelmehrheit nicht dazu, geltendes Recht durchzusetzen, sondern hilft durch Stillhalten und Hinnehmen, einen Unrechtszustand zu perpetuieren.

ÖVP und SPÖ haben kein Interesse, die Verfassung real und konkret durchzusetzen. Politisch ginge das. Als Jörg Haider nicht nur Verfassungsrichter höhnte, sondern geltendes Recht missachtete, wurde nicht eingeschritten. Er und seine Leute hätten als verfassungsfeindlich belangt werden können - mit allen Konsequenzen: Verbot der Partei, Einzug des Parteivermögens, Gerichtsverfahren für jene Politiker, die aktiv das Recht brachen. Die Freiheitlichen hatten den viel beschworenen "Verfassungsbogen", von dem Ex-ÖVP-Klubobmann Andreas Khol oft so salbungsvoll sprach, ja offensichtlich und empirisch belegbar verlassen. Der Bund hätte darauf bestehen können, ja müssen, die korrekten Ortstafeln sofort aufzustellen. Das trauten sich wichtige Politiker in Wien nicht, weniger aus Angst vor den Kärntnern, mehr aus politischem Kalkül.

Der unerträgliche Zustand, dass ein paar Politiker tun, was sie wollen, auch wenn es der Verfassung widerspricht, beweist, wie schwach unser Rechtsstaat ist. Der Verweis auf mehr Zeit, die man brauche oder den armen Kärntnern einräumen müsse, ist Hohn und Skandal zugleich, geht doch die Forderung auf den Staatsvertrag 1955 zurück.

Die falsche Toleranz, die eine aktive Mithilfe ist, zeigte sich auch im Umgang mit Rechtsextremen und Politikern, die ihnen mehr oder weniger nahestehen. Und wie die Staatsgewalt mittels befremdlicher Deutung des Antiterror-Paragrafen gegen gewisse Tierschützer vorging, aber nicht gegen Rechtsradikale oder Neonazis, das hat System.

Wenn dem Staat etwas an der Durchsetzung geltenden Rechts läge, zwänge er das Bundesland Kärnten zur sofortigen Befolgung, notfalls mittels Staatsgewalt. Das ist der Mehrheit zu radikal. Man toleriert Rechtsbrecher, wenn sie sich im eigenen Nahefeld bewegen. Man kollaboriert, weil die Konsequenzen zu drastisch erscheinen. Das wiederum beweist nur, dass es weder um die Verfassung noch um die Erfüllung des Staatsvertrags geht, sondern nur um jene Politik, die auch den beiden Großparteien zuträgt. Koste es, was es wolle.

Der Skandal liegt also nicht nur bei den Kärntnern, sondern bei jenen Bundespolitikern, die den andauernden Verfassungsbruch sanktionieren.

Haimo L. Handl ist Politik- und Kommunikationswissenschafter.