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Die Reform des Kartellrechts als Lehrstück über politische Erbpachten und blinde Flecken

Von Stefan Melichar

Analysen

Als sich im Jahr 2001 Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) und Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) auf eine Reform des Kartellrechts geeinigt hatten, war der Aufschrei der größten Oppositionspartei nicht zu überhören: Dass sowohl ein Kartellanwalt im Justizministerium als auch eine Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) im Wirtschaftsministerium eingerichtet würde, sei ein "merkwürdiger" und "untauglicher" Kompromiss, hieß es seitens der SPÖ. Angesichts der "Doppelgleisigkeit" sei effiziente Wettbewerbskontrolle wohl der "Eitelkeit" der beiden Minister zum Opfer gefallen.


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Dass die Sozialdemokraten die politische Erbpacht, die Böhmdorfer dem Justizressort verschafft hat, nun mit Zähnen und Klauen verteidigen, mutet umso skurriler an, da sie der Abschaffung des Bundeskartellanwalts im Regierungsabkommen zugestimmt haben: "Insbesondere sollen zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten die Kompetenzen des Bundeskartellanwaltes und der BWB in die BWB zusammengeführt werden", heißt es da wortwörtlich. Dass die - an einer gänzlich anderen Stelle niedergeschriebene - Vereinbarung, die jüngsten Novellen des Wettbewerbs- und Kartellrechts einer Evaluierung zu unterziehen, die Abschaffung des Kartellanwalts aufhalten sollte, will nun zumindest die ÖVP nicht anerkennen: Zu gerne würde Bartenstein alleine für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zuständig sein.

Im nun wieder aufkeimenden Machtkampf zwischen dem Wirtschaftsminister und Justizministerin Maria Berger (SPÖ) offenbaren sich stärker denn je die blinden Flecken eines derart auf Erweiterung des eigenen Einflusses ausgelegten Politik-Stils: Schließlich ist die Reform des Kartellrechts nur wegen der rasant steigenden Teuerung vom Nebenschauplatz wieder auf die politische Hauptbühne gehoben worden. Und da sollte wohl in erster Linie die Frage im Zentrum stehen, was der Stärkung des Wettbewerbs tatsächlich nützt - und nicht nur, wer dabei die Zügel in der Hand hält.

Die Vorschläge von Wirtschaftsminister Bartenstein entsprechen weitgehend den Vorstellungen zahlreicher Experten, was eine effizientere Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die BWB angeht. Raoul Hoffer von der Anwaltskanzlei Binder Grösswang weist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" aber darauf hin, dass der Gesetzesvorschlag nichts an den knappen Personalressourcen der Behörde ändert. Dieses Problem dürfte wohl auch eine Fusion mit dem Kartellanwalt nicht beheben, da dieser selbst nur zwei Richterplanstellen zur Verfügung hat.

Hoffer sieht den Personalmangel als Hauptproblem der BWB im Match mit den Großkonzernen. Im Unterschied zu den sonstigen Vorschlägen des Wirtschaftsministeriums geht eine Aufstockung der Mitarbeiter in der Behörde aber ins Geld - und das hätte Bartenstein seinem Parteikollegen, Finanzminister Wilhelm Molterer, bei den Budgetverhandlungen abringen müssen. Nun steht es in den Sternen, wann und in welchem Ausmaß die BWB mehr Personal erhalten könnte.

Dass sich in Sachen Kartellrechtsreform in näherer Zukunft Maßgebliches bewegen könnte, scheint unwahrscheinlich. Zwar will Bartenstein seinen Gesetzesvorschlag - unabhängig vom Ergebnis des Ministerrats - in Begutachtung schicken, um nach der Wahl mit neuen Mehrheiten zu einem Beschluss zu kommen. Wie viel ein - möglicherweise - neuer Justizminister auf Erbpachten hält, bleibt aber abzuwarten.