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Die Regierung in Deutschland gerät von allen Seiten unter Druck

Von Christine Zeiner

Europaarchiv
Für die "schwierige Phase" in der FDP machen so manche Parteikollegen Westerwelle verantwortlich. Foto: reu

Demonstrationen gegen Sparpaket. | Heftige Kritik an FDP-Vorsitzendem. | Berlin. Umgeworfene Möbel und Computer, Mitarbeiter, die aus Wut wegen Kündigungen Büroräume verwüsten - Bilder, wie es sie vor einem Jahr in Frankreich gab, sind in Deutschland nicht zu sehen. Doch der Unmut wächst.


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Und das spiegelt sich nicht nur in ersten Demonstrationen gegen das geplante Sparpaket wider, sondern vor allem in den schlechten Umfragewerten der Bundesregierung. 78 Prozent sind laut jüngstem ARD-Deutschlandtrend mit der Arbeit des Kabinetts unzufrieden. Dass es nach Milliardenbürgschaften für strauchelnde Euro-Länder und angeschlagene Banken nun beim Sparen besonders sozial Schwache treffen soll, gefällt vielen Deutschen gar nicht.

Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis die Regierung auseinanderbricht, wird dieser Tage von allen Seiten gemunkelt. Der Druck kommt auch von innen: Die Koalitionspartner verstehen sich nicht nur untereinander nicht besonders. Auch innerhalb der einzelnen Parteien gibt es Richtungsstreits, am härtesten bei den Liberalen. Aus den 14,6 Prozent, die die FDP im vergangenen Herbst bei der Parlamentswahl erhalten hatte, wurden in den Umfragen mittlerweile fünf Prozent. Wer dafür verantwortlich ist, steht für so manchen Liberalen fest: Guido Westerwelle.

Seine abfälligen Bemerkungen über Langzeitarbeitslose waren kaum verklungen, da machte sich der FDP-Chef, Vizekanzler und Außenminister erneut unbeliebt: Auf seine ersten Dienstreisen nahm er gern auch befreundete Unternehmer mit. Gegenüber Kanzlerin Angela Merkel setzte er sich zudem weder bei seinem Wahlkampfthema Steuersenkungen durch, noch -- und das kreiden ihm Parteikollegen derzeit besonders an -- kümmerte er sich um einen eigenen Bundespräsidentschaftskandidaten.

FDP vor Kurskorrektur

"Wir haben jetzt eine schwierige Phase. Da kann man aber die Verantwortung nicht bei einem Einzelnen festmachen", erklärte FDP-Generalsekretär Christian Lindner im "Deutschlandfunk". Tatsächlich wird Lindner neben Gesundheitsminister Philipp Rösler als potenzieller Nachfolger für Westerwelle gehandelt. Und die Liberalen aus dem hessischen Wahlkreis Limburg-Weilburg planen, auf dem kommenden Landesparteitag einen Antrag für einen Sonderparteitag zu stellen: Auf einem solchen soll über die Ablöse Westerwelles abgestimmt werden.

Ob es dazu kommt, ist ungewiss. Sicher ist indes, dass die Partei eine Kurskorrektur plant, um aus der Defensive zu kommen. Denn die FDP steht für Steuersenkungen; soziales Image hat sie dagegen keines.

In einer gestern, Dienstag, veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung heißt es, dass die soziale Ungleichheit zunehme. Das geplante Sparpaket verschärfe die Kluft zwischen Arm und Reich. In den vergangenen Tagen sprachen sich daher selbst immer mehr Christdemokraten dafür aus, den Spitzensteuersatz von derzeit 45 Prozent zu erhöhen, um das geplante Sparpaket ausgeglichener zu machen. Doch FDP und Steuererhöhungen -- das schloss sich bisher aus.

So lehnt es die Partei nach wie vor ab, den Spitzensteuersatz anzuheben. Laut "Handelsblatt" wird aber überlegt, die Kapitalertragssteuer von 25 auf 30 Prozent zu erhöhen. Der Bericht wurde dementiert.

Sozialer soll das neue Programm trotzdem aussehen. So hatte Generalsekretär Lindner schon vor einigen Wochen erklärt, dass mit dem Ergebnis der Bundestagswahl die FDP "in allen Milieus, in sämtlichen Schichten und allen Regionen Deutschlands angekommen" sei. Diese "Position in der Mitte der Gesellschaft" sei jetzt programmatisch zu untermauern.