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"Die Regierung ist zu kontrollieren"

Von Walter Hämmerle

Politik
Schönes Ziel, harte Nuss: Kopf will das politische Klima im Parlament verbessern.
© Urban

Ex-Klubchef will Parlament auf Augenhöhe zur Regierung.


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"Wiener Zeitung": Mit wem darf man es sich als ÖVP-Politiker in der Volkspartei auf keinen Fall verscherzen?Karlheinz Kopf: (längeres Nachdenken) Mit mir auf jeden Fall nicht. (lacht)

Ich frage, weil das Gerücht kursiert, Sie mussten vom Sessel des Klubchefs in die Funktion des Zweiten Nationalratspräsidenten wechseln, weil Sie der mächtigen niederösterreichischen ÖVP nicht mehr ins Konzept gepasst hätten.

Die ÖVP ist eine stark föderal und berufsständisch gegliederte Partei; deshalb ist es naheliegend, dass eine erfolgreiche Landesorganisation wie die Niederösterreicher auch ihren Einfluss entsprechend geltend machen. Das bezieht sich aber nicht auf meinen Wechsel.

Das Parlament steht, politisch betrachtet, im Schatten von Regierung und Sozialpartnern, dabei sollte es als Volksvertretung doch eigentlich im Zentrum stehen. Wie kann dem Parlamentarismus wieder Leben eingehaucht, wie der Eindruck einer Abstimmungsmaschinerie geändert werden?

Na ja, man muss schon sagen, dass das Bild vom österreichischen Parlament ein Produkt vieler Einflüsse ist. Manche haben ihre Ursache sicher im Haus; einzelne Abgeordnete und mitunter auch ganze Parteien haben sich mehr mit sich selbst und den anderen Parteien beschäftigt, als sich mit inhaltlichen Fragen auseinanderzusetzen - und das noch dazu oft persönlich untergriffig. Aber das schlechte Image hat natürlich auch mit der Art und Weise zu tun, wie die Medien über das Parlament berichten; dieser Aspekt sollte bei der Betrachtung nicht ganz außer Acht gelassen werden. Der Vorwurf, das Parlament würde einfach nur abnicken, was die Regierung als Antrag einbringt, stimmt zudem so nicht. Wahr ist allerdings, dass sich die Regierungsfraktionen dabei naturgemäß wesentlich leichter tun, weil sie in der Regel von Beginn an in die Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Für die Opposition ist diese Situation sicher nicht befriedigend.

Was soll, was muss sich hier ändern?

Wir müssen die parlamentarischen Abläufe straffer und effizienter organisieren, die Plenarsitzungen müssen kürzer und spannender werden, auch mit Schwerpunkten; und die Ausschüsse sollten kleiner und ihre Zahl geringer werden; zuletzt gab es 39 Aus- und Unterausschüsse, das sind zu viele; die Abgeordneten sollten die Möglichkeit haben, sich zu spezialisieren, was aber unmöglich ist, wenn man in sechs, sieben Ausschüssen sitzt.

Demnach ist eine Geschäftsordnungsreform des Nationalrats fix?

Ja, die wird kommen, zahlreiche Vorschläge dazu liegen schon auf dem Tisch, und die Verhandlungen sollten in den nächsten Wochen beginnen.

Sollen Ausschusssitzungen, in denen ja die wirkliche Arbeit erfolgt, öffentlich werden?

Mir geht es darum, die Qualität der politischen Debatte und Arbeit zu verbessern; die leidet jedoch oft darunter, wenn Medien mit dabei sind. Menschen verhalten sich nun einmal anders, wenn sie unter öffentlicher Beobachtung stehen; und um die politischen Unterschiede für die Bürger deutlich zu machen, haben wir ja die öffentlichen Plenarsitzungen. Wenn allerdings im Zuge dieser Reform bestimmte Materien nicht mehr im Plenum debattiert werden sollten, dann ist es zwingend notwendig, solche Ausschusssitzungen auch für die Medien zu öffnen, das ist klar.

Wie steht es mit dem Recht einer qualifizierten Minderheit, Untersuchungsausschüsse gegen die Mehrheit einzusetzen?

Es kann auch nicht im Interesse von Regierungsfraktionen sein, dass sich die Exekutive der Kontrolle durch das Parlament entzieht. Wer das anders sieht, ist als Abgeordneter am falschen Platz. Deshalb habe ich mich auch mit meiner Unterschrift zur Einführung von U-Ausschüssen als Minderheitsrecht bekannt - und ich lege Wert darauf, eingegangene Verpflichtungen auch umzusetzen. Dabei muss aber sichergestellt sein, dass die Aufklärungsarbeit rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt, die Rechte der Befragten müssen mit denen in einem Gerichtsverfahren mithalten können, und vertrauliche Informationen müssen auch vertraulich bleiben. Opposition und Mehrheit sollten in dieser Frage aufeinander zugehen, dann ist auch eine Einigung möglich.

Verfügt das Parlament überhaupt über das notwendige Know-how, der Regierung auf Augenhöhe zu begegnen?

Hier wird zu oft schwarz-weiß gemalt, etwa mit der Forderung, das Parlament benötige einen vollfunktionsfähigen Legislativdienst für alle Bereiche. Das hieße, die Apparate, die in allen Ministerien bestehen, für das Parlament zu duplizieren. Das ist nicht effizient und man muss akzeptieren, dass wir nicht alles doppelt haben können; zudem verfügen wir sehr wohl über einen guten Legislativdienst, auch die Klubs haben ausgezeichnete Experten. Entscheidend ist, dass das Parlament der Regierung selbstbewusst begegnet - nicht von vornherein konfrontativ, aber auf Augenhöhe.

Ist es da sinnvoll, wenn die Klubchefs der Regierungsfraktionen beim Ministerrat und den Vorbesprechungen dabei sind? Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Klubs sind sehr früh eingebunden in die Vorhaben der Regierung. Gleichzeitig verlieren die Fraktionen ihre Rolle als eingenständige Akteure.Das stimmt schon, allerdings habe ich als Klubchef stets versucht, auf diese Weise für eine möglichst frühzeitige Einbindung meiner parlamentarischen Bereichssprecher zu sorgen. Die damit verbundene Vermischung steht aber außer Frage, in Wahrheit ist es ein pragmatischer Zugang der Kommunikation zwischen Exekutive und Legislative. Die neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament, vor allem wenn es um Zweidrittel-Mehrheiten geht, bedingen aber einen grundsätzlich neuen Umgang der Regierungsfraktionen mit der Opposition. Hier will ich in meiner neuen Funktion einen Beitrag leisten.

Pragmatismus prägt Österreichs Politik, wohin man blickt, informelle Entscheidungsprozesse sind überall den formellen vorgelagert: die Sozialpartner der Regierung, die Regierung dem Parlament . . . Was fehlt, ist eine politische Diskussionskultur zu Sachfragen.

Wir haben hier ein klassisches Henne-Ei-Problem in der Beziehung zwischen Medien und Politikern: Aus vielerlei Gründen erleben wir eine Boulevardisierung der Medien in Österreich, dabei geht die tief reichende Auseinandersetzung mit Sachthemen verloren. Und darunter leiden wiederum interessierte Journalisten und Politiker, aber es ist eben ein mächtiger Trend der Zeit.

Gegen Trends kann man sich allerdings auch wehren.

Ja, aber das gilt für beide Seiten; die Politik muss lernen, den Transport ihrer Inhalte und Anliegen dem neuen Mediennutzungsverhalten der Menschen anzupassen. Allerdings ist das eine Kunst, die nur wenigen wirklich gut gelingt.

Was spricht eigentlich gegen ein Rederecht für die EU-Abgeordneten im Parlament?

Persönlich bin ich hier leidenschaftslos und daher nicht prinzipiell gegen diese Idee. Ich habe aber meine Zweifel, ob mit einem einfachen Rederecht im Plenum viel gewonnen ist. Vielleicht müsste man interaktivere Plattformen für einen intensiven Austausch der Abgeordneten verschiedener Ebenen entwickeln.

Norbert Hofer, FPÖ-Politiker und neuer Dritter Nationalratspräsident, hat mit relativierenden Aussagen zum NS-Verbotsgesetz gleich für heftige Schlagzeilen gesorgt. Hat er sich für dieses Amt diskreditiert?

Er hätte uns, sich selbst und seiner Partei diese Aussage ersparen sollen. Ich glaube, das sieht er mittlerweile auch selbst so.

Karlheinz Kopf, geboren 1957, ist seit Oktober 2013 Zweiter Nationalratspräsident. Davor war der Wirtschaftsbündler aus Vorarlberg fünf Jahre lang ÖVP-Klubchef; privat ist der Fußball-Enthusiast (der ehemalige Torwart ist Aufsichtsratsvorsitzender des SC Rheindorf Altach) verheiratet und Vater zweier Töchter.