Der scheidende AK-Präsident Kaske will eine Beschneidung der Sozialpartner "mit allen Mitteln" verhindern.
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Wien. Fünf Jahre an der Spitze der Arbeiterkammer (AK), nach einem Leben in der Gewerkschaftsbewegung. Rudolf Kaske, einst gefeierter Jungfunktionär, der nicht wenige Erfolge zuwege brachte, übergab am vergangenen Freitag das Amt des AK-Präsidenten an seine Nachfolgerin. Mit Renate Anderl steht nun erstmals seit Lore Hostasch wieder eine Frau an der Spitze der AK.
Mit der "Wiener Zeitung" hat Rudolf Kaske in seinem Abschieds-Interview über die Herausforderungen für die Arbeitnehmervertreter und die Regierungsvorhaben in punkto Sozialpartner gesprochen.
"Wiener Zeitung": Herr Präsident, ist die Sozialpartnerschaft in Gefahr?
Rudolf Kaske: Nein. Oftmals wird medial hier ein unstimmiges Bild gezeichnet: Sozialpartnerschaft funktioniert 365 Tage im Jahr. Sie ist gleichzeitig Konflikt und Dialog, in den meisten Fällen steht der Dialog im Zentrum. Sie funktioniert auf der Betriebsebene, über Vereinbarungen, sie funktioniert auf Branchenebene. In Österreich haben wir durch die Sozialpartnerschaft 98 Prozent Kollektivvertragsabdeckung. Wir sind Europameister und werden beneidet.
Gleichzeitig stelle ich klar: Die Sozialpartner sind keine Nebenregierung, sondern vor allem Ideengeber - und auch Krisenfeuerwehr. 2008 waren wir es, die die Kurzarbeit auf den Weg gebracht haben. Andere Länder haben die Leute entlassen, bei uns wird das im Sinne der Allgemeinheit gelöst. Das war für Österreich auch ein wirtschaftlicher Erfolg.
Wieso sind Sie sich so sicher, dass das so bleiben wird?
Das, was die Regierung plant, wird nicht so geräuschlos ablaufen, wie die Regierung sich das vorstellt. Ob das die geplante Verstaatlichung im AMS ist, das Herausdrängen der Sozialpartner aus den Sozialversicherungen - das werden wir uns genau ansehen.
Zweitens: Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung machen gemeinsam 4,3 Millionen Wähler aus. Zwei Drittel der Wählerschaft in Österreich sind also von etwaigen Maßnahmen betroffen. Nach der Wahl ist vor der Wahl - jede Regierung ist also gut beraten, zu überlegen, ob sie ihre Maßnahmen für oder gegen die Arbeitnehmer und die Wirtschaft richtet. Wir haben natürlich den Bundes- und den Vizekanzler sowie die Sozialministerin zu uns eingeladen. So wie es aussieht, wird es diesen Besuch in den kommenden zwei Monaten geben. Wir werden die Regierungsspitze überzeugen, dass sie von einer Reduktion der AK-Umlage Abstand nimmt.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir haben bereits unsere Mitglieder befragt, und die sind der Souverän und entscheiden auch über die Kammer - und sonst niemand. Zwischen 60 und 80 Prozent haben sich zur Kammerumlage bekannt.
Das ist wenig verwunderlich: Eine Beratungsstunde bei einem Rechtsanwalt kostet zwischen 200 und 500 Euro. Ein Durchschnittsverdiener zahlt bei uns im Jahr rund 80 Euro Umlage - der Vergleich macht also sicher. Wir bieten zudem Insolvenzschutz und Rechtsschutz, man denke an die Zielpunktpleite. Ich erinnere zudem an unsere umfangreichen Beratungsleistungen beim Steuerrecht oder bei der Arbeitnehmerveranlagung. Nicht zu vergessen der Bereich Konsumentenschutz, wo wir mit dem Verein für Konsumenteninformation gemeinsam eine Sammelklage auf die Beine gestellt haben.
Und schließlich sollte sich die Regierung genau ansehen, wie viel die Arbeiterkammer über die Umlage lukriert, wie viele Mitglieder sie betreut - und wie sich das bei den Arbeitgebervertretern genau verhält.
Bundeskanzler Kurz sagt sinngemäß, es sei klar, dass jene Funktionäre, die durch die geplante Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger um ihre Jobs fürchten, Widerstand leisten wollen. Wie rechtfertigen Sie den Einfluss der Kammern in den Sozialversicherungsträgern?
Größer ist nicht automatisch besser. Strache hat unlängst im Gespräch mit SPÖ-Chef Kern erklärt - und das finde ich unseriös -, dass wir uns durch die Zusammenlegung bis 2050 rund eine Milliarde Euro ersparen. Das wären 50 Millionen im Jahr pro Anstalt. In Deutschland und auch in der Schweiz gibt es deutlich mehr einzelne Träger.
Sie sprechen aber von einem "Anschlag auf die Demokratie". Ist das nicht leicht übertrieben?
Die Frage ist: Wer hätte denn bei einer Verstaatlichung das Sagen? Das wären dann die leitenden Angestellten, nicht mehr die Funktionäre.
Oder nehmen wir das AMS. Dort zahlen 88 Prozent der Arbeitslosenversicherung die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer. Nur 12 Prozent werden aus dem Bundesbudget zugeschossen. Nun will aber die Regierung zu 100 Prozent die Kontrolle. Und das werden wir nicht zulassen, da werden wir zu allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln greifen.
Strache und Kurz verbreiten zudem "fake news". Die Sozialversicherung hat einen Jahresumsatz von 62 Milliarden Euro. Sie haben gesagt, mit den Geldern der Kammern wird spekuliert. Nicht dazu gesagt haben sie, dass die Rücklagen selbstverständlich mündelsicher veranlagt werden. Derivate und Aktien sind gesetzlich ausdrücklich verboten. Die 1,4 Milliarden Euro sind in Papieren höchster Bonität, wie Staatsanleihen, veranlagt. Das dann noch jene Dienstfahrzeuge, die das Personal braucht, quasi als Luxus-Fuhrpark dargestellt werden, ist demokratiepolitisch schockierend.
Ihre Nachfolgerin ist Renate Anderl, die FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sagte am vergangenen Freitag, zwei Frauen an der Spitze von AK und Ministerium, das ergebe eine gute Gesprächsbasis. Was macht Sie sicher, dass die Sozialministerin die volle Legislaturperiode im Amt bleibt?
Es fällt auf, dass, sobald es Reibereien gibt zwischen Schwarz und Blau, sofort nach Regierungskoordinatoren gerufen wird. Das käme dann ohnehin einer Entmachtung der Ministerin gleich. Und aus meiner Erfahrung weiß ich: Das eine sind politische Sonntagsreden, die politische Realität ist dann oft eine ganz andere.
Stichwort Realität: Was würden Sie als Ihre größte Niederlage ansehen?
Geärgert habe ich mich, als wir uns vergangenes Jahr in der Arbeitszeitfrage nicht geeinigt haben. Als größten Erfolg würde ich die Lohnsteuersenkung 2016 im Volumen von 5,1 Milliarden Euro betrachten. Der Wirtschaftsmotor ist so wieder angesprungen, das geben mittlerweile auch die seinerzeitigen Kritiker zu.
Wird Österreich in zehn Jahren noch ein sozial gerechtes Land sein?
Die Regierung ist angetreten, das Land umzubauen. Wenn in einem Regierungsprogramm 100 Mal das Wort Wirtschaft und nur 20 Mal das Wort Arbeitnehmer vorkommt, dann gibt’s da eine Schieflage. Wir vertreten die Interessen der Arbeitnehmer, und das werden wir auch weiterhin tun.
Rudolf Kaske (63) war von 2013 bis 2018 Präsident der AK. Der
gelernte Koch war 1972 einer der ersten Jugendvertrauensräte. Ab April
1995 war Kaske Vorsitzender der Gastgewerbe-Gewerkschaft HGPD. Von 2006
bis 2012 leitete er die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida.
Weiters ist er Vorsitzender des Gedenkdienst-Vereins "Niemals
Vergessen".