Die Eskalation um die ÖBB-Reform gipfelt im Streik, sie hat aber eine längere Vorgeschichte. Begonnen haben die härteren Zeiten für Eisenbahner schon unter ÖBB-General Helmut Draxler, der den Personalstand um beinahe 16.000 verringerte. Doch Draxler musste den Hut nehmen, da er sich vehement gegen eine Unternehmensteilung aussprach. Denn schon in ihrer ersten Legislaturperiode wollte die schwarz-blaue Bundesregierung die ÖBB in zwei Gesellschaften teilen und Personal abbauen. Doch die Zeit war zu kurz. Aus politischen Erwägungen wurde damit bis nach der Wahl gewartet.
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Derzeit sind um die 47.000 Mitarbeiter bei den ÖBB beschäftigt. Doch die Reform soll massive Einschnitte beim Personal (bis zu 12.000) mittels neuem Dienstrecht möglich machen. Außerdem sollen die noch integrierten ÖBB in vier Aktiengesellschaften sowie in fünf GesmbHs unter dem Dach einer schwachen Holding geteilt werden. Die allesamt mit mindestens zwei Vorständen besetzt werden sollen.
Am Ende des Reformweges könnte sogar die Privatiserung des Güterverkehrs stehen. Die Deutsche Bahn ist für ihre Gütersparte Railion derzeit in Europa auf Einkaufstour und scheint auch Appetit auf den gewinnbringenden ÖBB-Güterverkehr zu haben.
Einen großen Reformschritt mussten die ÖBBler schon im Jahr 1994 machen. Damals wurde die Bahn, die bis dahin eine Sektion des Verkehrsministeriums war, als Gesellschaft mit eigener Rechtspernönlichkeit ausgegliedert. Das Unternehmen wurde in die zwei Rechnungskreise Absatz und Infrastruktur geteilt. Was jedoch vom Bund schon damals ignoriert wurde, war die Abdeckung der Schulden für den Netzausbau, die sich mittlerweile auf 3,8 Mrd. Euro belaufen. Im Gegenzug bekam das Unternehmen wertvolle, nicht nur betriebsnotwendige Immobilien. Neue Schulden wurden von der 1996 gegündeten Schieneninfrastrukturgesellschaft (Schig) aufgenommen. Gleichzeitig mit der Ausgliederung wurden auch noch die zwei Bahn-Sondergesellschaften HL-AG und Brenner-Eisenbahngesellschaft gegründet. So wie bei der jetzigen Reform wurde schon damals gemutmaßt, dass die Sondergesellschaften neben der budgetneutralen Unterbringung der Schulden noch einen zweiten Zweck haben: Gut dotierte Vorstandsposten schaffen, die dann proporzmäßig besetzt werden können.
Die neue Reform wollte die schwarz-blaue Regierung schon im Februar 2000 gegen den Willen der Gewerkschaft vornehmen. Treibende Kraft war in dieser Frage von jeher die ÖVP und ihr damaliger Verkehrssprecher Helmut Kukacka. Als Vorbild dienten Staaten wie England oder die Niederlande, in denen die Eisenbahn geteilt und sogar privatisiert wurde. Die FPÖ war durch den viermaligen Ministerwechsel im Verkehrsministerium blockiert. Der Vorgänger von Minister Hubert Gorbach, Mathias Reichhold war von der Notwendigkeit der ÖBB-Teilung nicht restlos überzeugt. Wohl primär aus politischen Gründen, damit es sich die FPÖ nicht mit 47.000 ÖBB-Mitarbeitern samt deren Angehörigen verscherzt.
Was ÖVP und FPÖ ein Dorn im Auge ist, ist die unglaublich dominante Stellung der Gewerkschaft bei den ÖBB. Ohne deren Sanktus geht dort fast nichts. Bei Personalentscheidungen, aber auch bei der Erstellung der Dienstpläne geben die roten Gewerkschafter den Ton an. Auch der Vorstand ist auf die Kooperation der Gewerkschaft angewiesen. Und vor kurzem stand auch noch Draxler-Nachfolger Rüdiger vorm Walde auf dem Standpunkt: Die ÖBB-Teilung kommt nicht in Frage, denn sie "wird pro Jahr um 150 Mill. Euro mehr kosten". Mittlerweile ist der ÖBB-Vorstand schon ganz auf Regierungslinie umgeschwenkt und wurde zum glühendsten Teilungsbefürworter. Die Gesprächsbasis mit der Gewerkschaft ist kaputt, nun wird den Streikenden sogar mit Entlassung gedroht. Die Mitsprachemöglichkeiten der Belegschaftsvertreter werden durch die ÖBB-Teilung geschwächt. Für die Gewerkschaft ist dies sogar der eigentliche Sinn und Zweck. Auch Eisenbahnexperten und Rechnungshof warnen vor übereilten Schritten und weisen auf negative Erfahrungen im Ausland hin. Doch die Reform ist mittlerweile so gut wie beschlossene Sache.