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"Die Reichen und die EU..."

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

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Bernard Arnault, Herr über den Luxuskonzern Louis Vitton und einer der reichsten Europäer, will belgischer Staatsbürger werden. Die linke Tageszeitung "Liberation" titelt daraufhin: Hau doch ab...

Chefredakteur Reinhard Göweil.

Arnault klagt die Zeitung, er will Doppel-Staatsbürger sein und auch die von Präsident Francois Hollande angekündigten höheren Steuern in Frankreich bezahlen.

Die Debatte um die "Reichensteuer" in Europa zur Bewältigung der diversen Budgetnöte zeigt sich in Frankreich klar und deutlich: Arnault war auch vor der Finanzkrise ein sehr reicher Mann, aber jetzt ist es plötzlich nicht mehr okay.

Das liegt weniger an den Reichen selbst als vielmehr am bisherigen Umgang der europäischen Politiker mit der Krise. Die Last hatten bisher der Mittelstand und die Armen zu tragen: Es wurden Massensteuern erhöht, Sozialleistungen gekürzt. Auf der anderen Seite wurde (und wird) den Banken praktisch jeder Milliardenbetrag zur Verfügung gestellt, um die Pleite eines Institutes zu verhindern.

Das führt zu Aggressionen, denn die mit Steuergeld geretteten Banker zahlen sich weiterhin Millionengagen aus. Und viele Menschen unterscheiden nicht, woher der Reichtum kommt. Arnaults Luxuskonzern ist sicherlich durch dessen Geschick so weit gekommen - und weniger durch staatliche Beihilfen.

Die aktuelle Debatte um soziale Gerechtigkeit kann aber nicht so enden, dass es keine Reichen mehr gibt. Freie Marktwirtschaft führt zu einer ungleichen Verteilung der Vermögen, ohne das Thema Erbe dabei zu strapazieren.

Es geht also um eine gerechte Besteuerung. Die jetzige konservative Opposition erklärt, Hollande vertreibe die Reichen aus Frankreich. Das ist glatter Unsinn. Wer das Funktionieren einer Gesellschaft auf einen möglichst niedrigen Steuersatz reduziert, ist bestenfalls ein Autist, mit Verantwortung hat das nichts zu tun. Und bei Arnault trifft es den Falschen, er will ja gar kein Steuerflüchtling sein. Letztere zeigen, dass auch die nationale Steuerpolitik in der EU am Ende ist. Wenn jemand seinen Wohnort um wenige Kilometer verlegt (wie an der französisch-belgischen Grenze) und damit enorm weniger Steuern zahlt, handelt er uneuropäisch. Die EU sollte derartige Schlupflöcher schließen, denn diese sind ein ständiger Quell der (berechtigten) Bürgerkritik an Europa.