Wegen hoher Krisenkosten suchen Staaten nach zusätzlichen Geldquellen.
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Wien. Frankreich hat eine und will sie ausbauen. Spanien hat seine 2008 abgeschafft, nur um sie im Vorjahr dann doch wieder einzuführen. In Italien hat man zuletzt noch einmal darauf verzichtet: Kaum eine politische Debatte wird in Europa so hitzig geführt wie jene über die Vermögenssteuern. Nun legen namhafte Experten immer radikalere Vorschläge auf den Tisch.
Die Ausgangslage ist klar: Nach vier Jahren Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise sind viele Staaten dringend auf der Suche nach neuen Geldquellen, um ihre überstrapazierten Budgets zu sanieren. Gleichzeitig herrscht vielerorts die Ansicht, vermögende Bevölkerungsgruppen würden zu wenig zum Wohl der Allgemeinheit beitragen.
Bereits im März hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für Deutschland eine Vermögenssteuer von 0,5 Prozent vorgeschlagen, die die rund 400.000 Millionäre der Bundesrepublik betreffen sollte. Vor ein paar Tagen ließ das DIW aber mit einer viel weitreichenderen Idee eine kleine Bombe platzen: Personen, die netto über mehr als 250.000 Euro Vermögen verfügen, könnten gezwungen werden, dem Staat Geld zu borgen, meinen die Forscher. Das DIW geht bei seinen Berechnungen von 10 Prozent des 250.000 Euro übersteigenden Vermögens aus. Wenn die Betroffenen Glück haben, bekommen sie das Geld nach einigen Jahren wieder, wenn nicht, werden die "Zwangsanleihen" eben einfach in eine einmalige Vermögensabgabe umgewandelt.
Große Umsetzungsprobleme
Obwohl dies eine Maßnahme ist, die sonst eher in Nachkriegszeiten zum Einsatz kommt, ist es nicht der radikalste Vorschlag, der auf dem Tisch liegt: Die Boston Consulting Group, ein Beratungsunternehmen, hat zum Beispiel Berechnungen vorgelegt, in denen von einem "Haircut" auf private Finanzvermögen von 11 bis 30 Prozent ausgegangen wird, um die Kosten der nötigen Entschuldung zu bezahlten. Neben einer Vermögenssteuer könnten auch Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und Anleger gezwungen werden, ihr Geld zu mageren Zinsen im eigenen Land anzulegen.
So verlockend es für manche Politiker sein mag, Vermögen stärker zu besteuern, so groß sind die Probleme in der Praxis: "Die Schwierigkeiten fangen schon damit an zu ermitteln, wer wie viel Geld hat", meint Steuerrechtsexperte Werner Doralt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es müsste zum Beispiel festgestellt werden, was Betriebe oder Grundstücke tatsächlich wert wären. Dies sei in Zusammenhang mit befristeten Zwangsanleihen viel zu aufwendig, erklärt Doralt.
Bei der Grundsteuer werden etwa alte Einheitswerte, die nichts mit dem Marktwert zu tun haben müssen, als Bemessungsgrundlage herangezogen. Diese Ungenauigkeit akzeptiere der Verfassungsgerichtshof (VfGH) nur, da die Grundsteuer einer "Bagatellsteuer" mit niedrigen Steuersätzen sei, betont der Doralt. Je gravierender eine Vermögenssteuer ausfällt, umso problematischer sei eine ungenaue Bemessungsgrundlage. Letztlich könnten einzelne Vermögensarten diskriminiert werden. Für Doralt wäre das nicht nur ein verfassungsrechtliches Problem, sondern auch eine Ungerechtigkeit.
Österreich bei Schlusslichtern
In der EU haben nur Frankreich und Spanien eine echte Vermögenssteuer. Allerdings fällt zum Beispiel auch die Grundsteuer in den breiteren Bereich der vermögensbezogenen Steuern. Bei Letzteren gehört Österreich mit einem Aufkommen von rund 0,5 Prozent des BIP zu den Schlusslichtern in Europa. Die OECD empfahl Österreich im Vorjahr, derartige Steuern zu erhöhen, was bei der ÖVP auf Widerstand stößt.
Auch von Zwangsanleihen hält Finanzministerin Maria Fekter nichts. SPÖ-Klubchef Josef Cap würde eine Einführung in Staaten mit großen finanziellen Problemen begrüßen.
Wissen: Zwangsanleihen
(mel) Die Vorteile liegen laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf der Hand: Zieht man Privathaushalte mit hohen Vermögen und Einkommen dazu heran, die Staatsschulden des eigenen Landes zu finanzieren, hätte das kaum Auswirkungen auf die generelle Konsumnachfrage. Außerdem würde "auch der gestiegenen Ungleichheit in der Vermögensverteilung entgegengewirkt", wie es in einem aktuellen DIW-Papier heißt.
Den Schlüssel zur Beteiligung Vermögender an den Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise sieht das DIW in sogenannten Zwangsanleihen: Von Vermögen, die einen Freibetrag von 250.000 Euro pro Person übersteigen, müsste ein gewisser Teil dem Staat geborgt werden. Bei einem Satz von zehn Prozent könnten laut DIW rund 230 Milliarden Euro "mobilisiert" werden. Betroffen wären die reichsten acht Prozent der Bevölkerung. Je nach Konsolidierungsfortschritt könnten die Zwangsanleihen später – eventuell sogar verzinst – zurückgezahlt oder in eine einmalige Vermögensabgabe überführt werden.
Das DIW glaubt, dass eine derartige Maßnahme vor allem für die Krisenländer im Süden der Eurozone in Frage kommt. Allerdings könnten auch andere Euroländer mit hohen Staatsschulden mit einmaligen Vermögensabgaben versuchen, ihre Schuldenstände auf ein nachhaltiges Niveau zu senken.
Deutschland hat im vergangenen Jahrhundert mehrfach Erfahrungen mit Zwangsanleihen und Sondersteuern auf Vermögen gemacht – allerdings in erster Linie als Notmaßnahmen nach den beiden Weltkriegen. So wurde etwa 1919 als "Reichsnotopfer" eine allgemeine Vermögensabgabe eingeführt. Die Finanzverwaltung scheiterte damals jedoch an der Vermögenserfassung. 1922/23 wurde dann eine Zwangsanleihe für vermögende Personen ins Leben gerufen, die – nach der Hyperinflation der Zwischenkriegszeit – in eine Vermögensabgabe überführt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Zwangsanleihe der gewerblichen Wirtschaft zugunsten der Grundstoffindustrie.
Den vorerst letzten Versuch einer Art Zwangsanleihe startete die schwarz-gelbe Bundesregierung 1982. Dies scheiterte aber am Einspruch des Bundesverfassungsgerichts.