)
Mit der "Leipzig-Charta" soll ein Modell einer integrierten "Europäische Stadt" geschaffen werden. Das Projekt steht noch am Beginn.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die europäische Integration findet vorrangig in den Städten statt. Dort wird sie von den Menschen konkret erlebt. Drei Viertel der europäischen Bevölkerung leben in Städten, davon mehr als 60 Prozent in städtischen Gebieten mit mehr als 50.000 Einwohnern.
In der EU sind die Städte die Motoren gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung. Hier entscheidet sich nicht nur, ob die Menschen in einem geordneten sozialen Umfeld leben, sondern auch, ob sie in der Lage sind, Fremde sozial verträglich zu integrieren, ohne dabei die eigene Identität zu verlieren. Urbanität ist gefragt, und die Städte müssen durch eine neue Phase der Stadtentwicklung unterstützt werden.
Herausforderungen für europäische Städte
Die Herausforderungen, vor denen europäische Städte stehen, sind gewaltig. Zum einen entfallen fast drei Viertel des Weltenergieverbrauchs auf die Städte, was rigorose Energiespar- und Umweltschutzmaßnahmen erforderlich macht.
Zum anderen ist die Jugendarbeitslosigkeit in den Städten erschreckend hoch. Bei einer mittleren Arbeitslosenquote von Jugendlichen unter 25 Jahren von 18,6 Prozent müssen Städte enorme Schwankungen ausgleichen. Wenn mehr als die Hälfte oder noch mehr der Jugendlichen in benachteiligten Stadtteilen keinen Schulabschluss und damit nur einen erschwerten Zutritt zum Arbeitsmarkt haben, sind soziale Konflikte vorprogrammiert. Das Paradebeispiel dafür ist das Protestpotenzial der französischen Randbezirke.
Die "Leipzig-Charta" als erster Schritt
Auf ihrer informellen Ratstagung am 24. Mai 2007 in Leipzig haben sich die für Fragen der Stadtentwicklung zuständigen Minister der Mitgliedstaaten erstmals zu Problemen der integrierten Stadtentwicklung und zum territorialen Zusammenhalt geäußert. Dabei haben sie sich auf gemeinsame Grundsätze und Strategien für die Stadtentwicklungspolitik geeinigt.
Für die Grundlagen einer neuen Stadtpolitik in Europa müssen sich die Mitgliedstaaten zunächst auf ein gemeinsames Stadtverständnis - im Sinne der Modellvorstellung einer "Europäischen Stadt" - einigen.
Ein Modell der integrierten Stadtentwicklung muss Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung ebenso berücksichtigen wie eine bessere Koordinierung öffentlicher und privater Investitionen für und in Städten. Die Belebung der Stadtkerne muss durch klug vernetzte öffentliche und private Projekte unterstützt werden, die auch unter der Bevölkerung breite Zustimmung finden. Stadtplanung darf nicht von oben oktroyiert werden. Sie muss das Ergebnis eines öffentlichen Prozesses sein, in den sich die Bürger einbringen können.
Mit dem Leipziger Modell einer sinnvollen Stadtentwicklung sind daher eine Reihe grundlegender urbaner Werte verbunden wie zum Beispiel das Mit- und Selbstbestimmungsmodell der Bürger, die Nutzungsmischung, die soziale Integration oder die Förderung des öffentlichen Raums.
Es darf in europäischen Städten keine "no go areas" geben. Die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung in Städten ist ein integraler Bestandteil der europäischen Wertegemeinschaft. Die Existenz benachteiligter Stadtviertel gefährdet die Attraktivität, die Wettbewerbsfähigkeit und die soziale Integration der städtischen Bevölkerung. Langfristiges und stabiles Wirtschaftswachstum ist nur dann möglich, wenn Städte als Ganzes sozial ausgeglichen und stabil bleiben. Es muss daher der Trend der Absiedelung aus den Städten, verbunden mit der Verwahrlosung und dem Verfall ganzer Stadtteile, gestoppt und ins Gegenteil verkehrt werden. Die künftige Förderpolitik der EU hat das zu berücksichtigen.