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Die Renaissance des häuslichen Arbeitszimmers

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Kenner der Szene sprechen von einem Schlagabtausch. Die Legisten der Finanz hatten in ihren Erläuterungen zum Steuerreformgesetz den Verwaltungsgerichtshof wegen dessen Renten-Judikatur heftig | gezaust. Die hohen Richter blieben die Antwort nicht lange schuldig. Aus aktuellem Anlaß nahmen sie sich die ministeriellen Aussagen zum Strukturanpassungsgesetz vor und fanden sie schlicht für | unzutreffend. Das Ergebnis der subtilen Schlägerei wurde für den Fiskus ärgerlich und für die Steuerzahler erfreulich: Der steuerliche Bannfluch für das häusliche Arbeitszimmer wurde weitgehend | gelockert.


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Zur Erinnerung: Bis 1996 war das häusliche Arbeitszimmer der Berufstätigen ein ständiger Reibebaum mit der Finanz. Ein Heer von Erhebungsbeamten zog allmorgendlich aus, um auszukundschaften, ob

die angeblichen Heimbüros der Steuerzahler tatsächlich ausschließlich beruflich genutzt oder etwa mit Bett und TV-Set bestückt waren. Das änderte sich schlagartig, als das Strukturanpassungsgesetz

die Arbeitsräume im Wohnungsverband samt Einrichtung als steuerlich unbeachtlich erklärte.

Strenge Maßstäbe

Es sei denn, die umstrittenen Räumlichkeiten bildeten den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerzahlers. Das Finanzministerium legte dazu zwei Meßlatten, bei

deren Einhaltung die steuerliche Absetzbarkeit der Hausbüro-Kosten geduldet werden konnte:

a) wenn die betriebliche/berufliche Arbeit zu mehr als 50% in dem häuslichen Arbeitszimmer verrichtet wurde und

b) wenn die dort erarbeiteten Einkünfte 80% (oder mehr) der Gesamteinkünfte des Steuerzahlers ausmachten.

Besonders das letztere Kriterium gab alsbald Grund zur Kritik, weil die 80% von der Gesamtheit der Einkünfte, also auch von jenen gerechnet wurden, die mit der Arbeitszimmer-Arbeit nichts zu tun

hatten.

Fragwürdige Bezugsbasis

Ein ASVG-Pensionist mit schriftstellerischen Ambitionen kam allein deshalb nicht in die steuerliche Arbeitszimmer-Gunst, weil die Autoren-Einkünfte eben nicht 80% der Gesamteinkünfte (Pension plus

Schriftstellerei) ausmachten.

Ein Salzburger Steuerzahler, pikanterweise ein Finanzbeamter, knackte letztlich die harte Nuß. Erlaubterweise war er auch Sachverständiger und arbeitete seine Gutachten in der beruflich adaptierten

Stube daheim aus. Gegen die abweisende Haltung seiner eigenen Behörde bot er ein starkes Argument: Der ominöse "Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit" sei berufssparten-bezogen zu sehen und für seine

Gutachtertätigkeit sei eben sein Hausbüro der Mittelpunkt.

Einkunftsquelle

als Mittelpunkt

Ein Fall, bei dem die obersten Verwaltungsjuristen des Landes genüßlich zulangen und auch ein bisschen Verfassungsrichter spielen konnten. Ihre richtungsweisende Aussage: Ob ein Mittelpunkt im

Sinne des Gesetzes vorliege, sei einzig und allein aus der Sicht der einen bezughabenden Einkunftsquelle zu bestimmen. Eine Bezugnahme auf die Gesamtheit aller Einkünfte eines Steuerzahlers sei nicht

zulässig.

Womit das Ende der strengen 50%/80%-Gradmesser eingeläutet wurde. Mit einem ausführlichen Erlaß ¹) bekannte sich das Finanzministerium rasch und widerspruchslos zur neuen Rechtsauffassung und will

die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitsraumes ab sofort nur noch von zwei Kriterien abhängig machen: von der grundsätzlichen Notwendigkeit und vom Berufsbild des Steuerzahlers.

"Untypische" Büros

Demnach unterscheidet der Erlaß Tätigkeiten, deren Mittelpunkt üblicher- und typischerweise in einem Arbeitszimmer liegt und solche, deren Mittelpunkt im Regelfall außerhalb eines solchen liegt.

Dazu werden gleich passende Beispiele mitgeliefert. So wird für folgende Berufstypen ein häusliches Arbeitszimmer als typischerweise nicht nötig angesehen: für Lehrer, Richter, Politiker,

Berufsmusiker, Dirigenten, darstellende Künstler, Vortragende, Vertreter und Freiberufler mit auswärtiger Praxis. Bei diesen Selbständigen wird angenommen, daß sie ihre Berufsarbeit üblicherweise und

schwerpunktmäßig außer Haus abspulen.

"Typische" Büros

Anders ist es bei Gutachtern, Schriftstellern, Dichtern, Malern, Komponisten, Bildhauern, Heimarbeitern, Heimbuchhaltern, Teleworkern und ähnlichen Werktätigen. Bei diesen Personen wird

akzeptiert, daß sie ihre Brötchen zum wesentlichen Teil in der häuslichen Kammer erarbeiten und dafür steuerliche Huld verdienen.

Übt jemand in der selben häuslichen Stube womöglich zwei typische Heim-Berufe aus, dann werden die anteiligen Raumkosten wohl in angemessener Relation auf beide Sparten aufzustellen sein.

Spitzfindiger ist es, wenn der Raum von der selben Person für eine Zimmer-typische und eine Zimmer-untypische Berufsarbeit genutzt wird: etwa ein Schriftsteller, der auch Vortragender ist. Wenn aus

der letzteren Tätigkeit die Einnahmen überwiegen, sind die Arbeitsraumkosten steuerlich leider tabu.

Sofort in Kraft

Ist ein Arbeitsraum nach den neuen Richtlinien wieder anzuerkennen, dann sind die anteiligen Raumkosten (einschließlich Energie) steuerlich absetzbar. Das gilt auch für die Abschreibungsquoten der

Büroeinrichtung, die freilich anhand der früheren Abschreibungsverzeichnisse wieder reaktiviert werden muß.

Die neuen Regeln gelten im übrigen für alle noch offenen Steuerfälle. Für endgültig abgeschlossene Steuerverfahren bleibt der Richterspruch allerdings unwirksam: Eine Wiederaufnahme der alten

Bescheide nur wegen der geänderten Rechtsauffassung ist nicht möglich.

¹) BMF-Erlaß 06 1001/1-IV/6/99 v. 16. 8. 1999