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Die Renaissance des Vertrauens

Von Julia Culen

Gastkommentare
Julia Culen ist geschäftsführende Gesellschafterin der Beratergruppe Neuwaldegg.

Von unschätzbarem Wert, aber nicht käuflich - und Top-Priorität in Unternehmen: das Vertrauen.


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Dass Unternehmensleitungen oft wenig Vertrauen bei ihrer Belegschaft genießen, ist wenig überraschend. Allein die Tatsache, dass es jemand an die Spitze des Unternehmens geschafft hat, ist zumindest verdächtig und wird nicht selten als Widerspruch zu persönlicher Integrität, Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit gesehen.

Und Macht korrumpiert: Die derzeitigen Prozesse rund um Korruption und persönliche Bereicherung von Lenkern staatstragender Unternehmen und deren Peripherie tragen nicht gerade zu einer Kultur des Vertrauens bei. Gleichzeitig agieren Firmenchefs - nicht nur, aber insbesondere in großen börsennotierten Unternehmen - unter Rahmenbedingungen, die eine offene und transparente interne Kommunikation zumindest behindern.

Oft ist Kommunikation aus vielfältigen Gründen nicht möglich (Aktienrecht, Informationspflicht an den Betriebsrat, Angst vor Medienberichten). Mitarbeiter können oft nur den Schluss ziehen: Wir werden nicht informiert, man vertraut uns nicht, also schenken wir auch kein Vertrauen.

Am fatalsten wirkt sich die Nicht-Einhaltung von Versprechen und Vereinbarungen aus. Das zerstört die Glaubwürdigkeit und das Grundvertrauen nachhaltig und kommt Unternehmen oft teuer zu stehen, ohne dass sie es merken. Denn Misstrauen führt in einem schleichenden Prozess zur Erosion der Einsatzbereitschaft und Motivation.

Das allein wäre ja schon problematisch genug. Wenn aber auch das Vertrauen innerhalb der Belegschaft, zu Kollegen, anderen Abteilungen und Unternehmensteilen schwer angeschlagen ist, wirkt sich das handfest und tagtäglich aus. In meiner Beratungstätigkeit kommt das Thema zunehmend von den Kunden selber auf den Tisch, denn das Ergebnis einer mangelnden Vertrauenskultur wird immer bedrückender: eine große Zurückhaltung bei der Preisgabe von Informationen und Ideen, wenig Lust auf Kooperation, Isolation, Angst vor Fehlern, Blamage, Jobverlust, Verschlechterung der Position oder der Karriereaussichten und vieles mehr.

In einer Welt, die zum Teil auf den veralteten Paradigmen von Konkurrenz und individueller Leistungsbeurteilung aufgebaut ist, wundert dies nicht. Im System sind Angst und Misstrauen als Steuerungsgröße eingebaut. Erfreulich ist - und das ist neu -, dass das Thema benannt werden kann und authentische Kommunikation, Offenheit und Kooperation als erstrebenswerte und lebenswerte Prinzipien an Bedeutung gewinnen. Dies liegt auch daran, dass die Aufgabenstellungen und Anforderungen so komplex sind, dass sie nicht mehr individuell zu lösen sind und Unternehmen zunehmend auf die konstruktive Kooperation ihrer Mitarbeiter und Partner angewiesen sind.

Es lohnt sich also, die organisationalen Rahmenbedingungen, aber auch die individuellen Haltungen zu überprüfen und neu auszurichten. Eine gesteigerte Leistungsfähigkeit als Ergebnis einer offenen Vertrauenskultur und - nebenbei - mehr Freude und Motivation am Arbeitsplatz kämen manchen heimischen Firmen gut zupass. Auf geht’s.