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Die alte Linke hat sich mit dem Erreichen ihrer Ziele selbst überflüssig gemacht. Die Orientierungslosigkeit der modernen Linken lässt breite Gesellschaftsschichten alleine zurück.
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Gute Politik vertritt jene, die Politik brauchen - schlechte Politik vertritt sich selbst: Wer von seiner Hände Arbeit nicht leben kann, braucht eine gerechte Sozialpolitik. Wer erst überhaupt keine Arbeit findet, braucht eine bessere Beschäftigungspolitik. Und wer im Alter zu wenig zum Leben hat, verdient eine solidarische Rentenpolitik. Linke haben immer für sich beansprucht, die Menschen zu vertreten, die Unterstützung brauchen. Seit jeher versprechen sie deshalb, das Leben der breiten Mehrheit besser zu machen. Die moderne Linke, die heute grün oder rot ist, hat das Versprechen, das sie einst den Bedürftigen gab, aufgekündigt. Sie macht keine Tatsachenpolitik mehr für eine Mehrheit, sondern Gefühlspolitik für Minderheiten. Hauptsächlich macht sie aber Politik für sich selbst. Linkssein ist ein hochnäsiger Selbstzweck geworden. Breite Schichten der Durchschnittsgesellschaft repräsentiert die Linke nicht mehr.
Historisch war es seit der Entstehung der politischen Strömungen und Parteien im 19. Jahrhundert so, dass Linke und Rechte einen unterschiedlichen Zugang zu Politik hatten. War man links, vertrat man eine Mehrheit des Volkes gegen eine Minderheit des Systems. Rechts war vis-à-vis das Projekt der Eliten zur Bewahrung der Ordnung vor gesellschaftlicher Veränderung. Die einen wollten einer großen Volksgruppe eine Stimme geben, die anderen in der Regel sich selbst beziehungsweise Ihresgleichen.
Revolutionäre und Revoluzzer
Mit dem Siegeszug der Demokratie hat sich das radikal geändert. Die demokratisierte Linke hat sich immer weiter von den Problemen der Mehrheitsgesellschaft entfernt. Die alte Linke hat gleiche Chancen und gleiche Rechte für alle sowie die Aufhebung von Stand und Klasse erkämpft. Dass sie sich damit selbst überflüssig gemacht hat, ist ihr bis heute nicht klar. Sie flüchtet sich in Selbstbeschäftigung.
Während die Revolutionäre von 1789 gegen den monarchischen Absolutismus und für die politische Anerkennung der Gesellschaft stritten, bewältigte 1968 eine vom Wohlstand übersättigte Jugend nur noch ihren Komplex mit den Vätern, indem sie gegen ihre Universitätslehrer keifte und ein launiges Lebensgefühl zur Kulturrevolution erklärte. Niemand wurde mehr befreit, keinem war geholfen, allen ging es gleich gut oder gleich schlecht. Einzig die Berufsrevoluzzer hatten etwas für ihr angelesenes Gewissen getan. Mutig fochten sie in Kämpfen, in denen sie keine Gegner hatten; entschlossen marschierten sie gegen die Obrigkeit, die ihnen keine Rechte nahm, sondern alle Privilegien schenkte; und selbstlos wollten sie jenen helfen, von denen sie überhaupt nichts wussten.
Konkret sah das so aus: Sie bekämpften in Deutschland den Faschismus, wo es keinen Faschismus mehr gab, sondern eine große Koalition von Christdemokraten bis Sozialdemokraten. Sie hassten die Polizei und Franz Josef Strauß, während sie die RAF verharmlosten und den Massenmörder Mao verehrten. Und natürlich befreiten sie die Dritte Welt vom Kapitalismus, während sie sich um das eigene Land nichts scherten.
Die Moderne Linke heute
Diese Linke ist seit 1968 orientierungslos. Ihre Repräsentanten verklären die Launen der eigenen Gefühlswelt zu Tatsachen, politisieren instinktsicher an den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Durchschnitts vorbei und halten allgemeine Hysterie für eine demokratische Tugend.
Die skurrilsten Auswüchse dieser linken Orientierungslosigkeit sind heute, wenn Kinder beim Fußball keine Tore zählen, aber gendergerecht lesen und schreiben sollen; wenn Bikini-Werbung sexistisch ist, aber die Verhüllung der Frau fortschrittlich und tolerant; wenn Religionskritik ein neues Tabu ist, aber jeder Zuwanderungsskeptiker unter dem alten Nazi-Verdacht steht; wenn der Verkauf von Cannabis liberalisiert werden soll, aber Zigaretten in der Kneipe verboten sind; wenn Schüler und Studenten für das Klima demonstrieren, während Rentner Flaschen sammeln; wenn jeder schlechte Witz unter Rassismusverdacht steht, aber nicht die Klage über alte weiße Männer; und wenn Satiriker nur noch selten witzig, aber immer politisch korrekt sind. Wenn dafür die Moderne Linke steht, wen repräsentiert dieses Denken, wer braucht diese Politik noch?