Zum Hauptinhalt springen

Die Republik als Kaspar Hauser

Von Christoph Rella

Politik

Wien atmet den Geist der Monarchie, nicht der Republik. | Warum Habsburg interessanter ist als der Nationalfeiertag.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Wenn man es nicht besser wüsste, man müsste den Eindruck gewinnen, es habe sich nichts verändert. Wenn am Samstag im Stephansdom das feierliche Requiem für den 1912 geborenen Kaisersohn Otto Habsburg gefeiert wird, wird das Kirchenschiff - wie zuletzt beim Begräbnis von Kaiserin Zita vor 22 Jahren - von Uniformen und Standarten geprägt sein. Und: Es wird ein letztes Mal die alte Kaiserhymne abgesungen.

In diesem Meer voll monarchistischer Symbolik wird auch das republikanische Österreich, vertreten durch Bundespräsident Heinz Fischer, dem Thronfolger die letzte Ehre erweisen. "Ich glaube, dass so das richtig ist", begründete der sein Kommen. Ganz wohl in der Haut dürfte er sich dennoch nicht fühlen. Zumal er als Präsident an diesem Tag - von einigen Ministern abgesehen - das einzige sichtbare Aushängeschild der Republik sein wird. Alles andere, sogar die Kulisse des Trauerkondukts, der im Anschluss an die Totenmesse über die Hofburg, den Heldenplatz und die Ringstraße zur Kapuzinergruft führen wird, atmet den Geist der Monarchie. An die Republik erinnert hier kaum etwas.

Das Denkmal der Ersten Republik, das 1928 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Parlament am Ring errichtet wurde, bildet da keine Ausnahme, wie der Wiener Historiker Ernst Bruckmüller im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" sagt: "Das Denkmal feiert nicht die Republik, sondern nur die sozialdemokratischen Führer Jakob Reumann, Ferdinand Hanusch und Viktor Adler."

Wenn Symbole fehlen

Die gezeigten Köpfe würden daher eher die Spaltung der Gesellschaft als eine nationale Gemeinschaft symbolisieren, meint er. Im Übrigen sei vieles, das heute als typisch republikanisch in Österreich betrachtet wird, ein Werk von Sozialdemokraten gewesen. Die Aufmärsche zum 1. Mai etwa, die Wahl der Landesfarben Rot-Weiß-Rot oder auch die Gemeindebauten am Stadtrand. "Deswegen fährt aber heute kein einziger Tourist nach Wien", erklärt Bruckmüller. "Was die sehen wollen, sind Schönbrunn und die Schatzkammer in der Hofburg." Das Fehlen republikanischer Symbolik in der Öffentlichkeit sei auch ein Grund dafür, warum die Republik kaum im Bewusstsein der Österreicher verankert ist. "Der Staat hat uns nie zu Republikanern, sondern nur zu Demokraten erzogen", betont der Universitätsprofessor. Immerhin sei ja die Republik Österreich nicht durch eine Volksbewegung wie in Frankreich, "wo jeder Platz nach der Revolution benannt ist", entstanden. "Es war vielmehr ein Zerfallsprodukt, das eigentlich niemand wollte."

Auch die Parteien nicht, die nach dem 12. November 1918 ohne Kaiser regieren - und erstmals die Verantwortung für ihr Tun selbst tragen mussten. "Die Lektion haben sie bis heute nie gelernt", sagt Bruckmüller. Dennoch sei die starke Dominanz der Parteien in Österreich durchaus auch als "typisch republikanisch" zu bewerten. "Bis heute muss man gute Beziehungen haben und sich mit den Parteien arrangieren", erklärt der Historiker. Unter Kaiser Franz Josef sei die Bürokratie nicht so korrupt gewesen wie heute. Die Beamten mussten demnach fürchten, dass ihr Akt über den Tisch des Kaisers wandern könnte. Franz Josef sei "ein exzellenter Verwaltungsfachmann" gewesen. Für ihre Treue belohnt wurden die Staatsbediensteten wiederum mit Berufstiteln, "eine Funktion, die auch von der Republik ab 1918 ohne Abstriche übernommen" wurde, wie Bruckmüller betont. "Es stimmt schon, dass der Hofrat ein Überbleibsel aus der Monarchie war, es war aber die Republik, die letztendlich für deren Vermehrung sorgte, um damit den Verlust von Kaiser und Vaterland auszugleichen."

Event Kaisergeburtstag

Dass Monarchienostalgie und Emotion eng miteinander verknüpft sind, beweist auch das Interesse der Österreicher an Adelshochzeiten und - wie im Fall Otto Habsburgs - deren Begräbnissen. Für Bruckmüller ist das allerdings nichts anderes als ein "gut inszeniertes Schauspiel". Die Republikaner hätten es demnach nie verstanden, emotional aufgeladene Events zu veranstalten, wie etwa die wenig rührenden Feiern zum Nationalfeiertag am 26. Oktober beweisen. "Man schaue sich einmal an, wie einst am 18. August der Kaisergeburtstag gefeiert wurde. Mit Paraden und bunten Uniformen. Und welche Farbe haben die Uniformen der Bundesheersoldaten?"