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In Österreich ist die realpolitische Macht zwischen Bund und Ländern dysfunktional verteilt.
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Nach Josef Pühringer in Oberösterreich hat nun auch im großen und mächtigen Niederösterreich Erwin Pröll die Funktion des Landeshauptmanns an Johanna Mikl-Leitner übergeben - und damit an die auffällige Führungskultur österreichischer Innenpolitik erinnert. Es finden sich da Bundesländer, deren Politikverständnis manchmal noch im Bereich absolut monarchischen Regierungsverständnisses vermutet werden kann, was aber in deutlichem Gegensatz zur formalrechtlichen Aufstellung der Politik steht.
Analysiert man die Beziehungsmuster der österreichischen Realverfassung mit den Methoden der sogenannten Familienaufstellung, die man aus der Psychologie kennt, so wird klar, dass die realpolitische Macht zwischen Bund und Ländern dysfunktional verteilt ist, mit einem Verweilen der Eltern in den Ländern und einer Bundesebene, die einem Spielplatz für die Kinder gleichkommt. Während sich die Eltern in den Ländern wohlig - und auf Dauer - einrichten, verbleibt der Bundesebene das Schicksal eines unruhigen Durchhauses mit kurzer Verweildauer der politischen Akteure, erratischen Handlungsmustern, und kontra-produktiver Abhängigkeit von den Ländern.
Der Bund erscheint fast als eine Art Verschubbahnhof für Landespolitiker - speziell nicht passende "Kinder" werden in den Bund geschickt, im besten Fall zum Praktikum mit anschließender Rückkehr ins Land oder zur endgültigen Entsorgung nach dem Motto: "Es ist ja nur der Bund." In den Bundesländern haben wir hingegen lange Verweildauern der politischen Eliten, der Ausdruck "Landesfürsten" findet nicht zufällig Anwendung, das monarchische Erbe unseres Gemeinwesens feierte in den vergangenen Jahrzehnten fröhliche Urständ, die Bundesebene dabei oft zu einem lästigen Übel degradierend.
(Rat-)Schläge der Landespolitik für die Bundespolitik
Wenn nun mit neuen Amtsinhabern auch ein neuer Regierungsstil erwartet wird, dann ist das auch für die Demokratie mit ihrem Prinzip des "Rule of Law" eine Chance, dass Landespolitik nicht mehr entrückt mit der persönlichen Note der kraftvollen Machtausübung verstanden wird, sondern als Politik für die und mit den Menschen.
Die Verantwortlichen im Bund mussten wiederholt erdulden, dass so mancher Ratschlag der Landespolitik auch immer ein Schlag ist. SPÖ und ÖVP mit ihren mächtigen Verankerungen in den Regionen tendieren dazu, den Bund als zu betreuendes Frühchen zu sehen. Agiert man dann noch vom imperialen Thron eines Fürstenhofes aus, wirkt das umso verständlicher. Der Bund als störendes Element auch bezüglich der Wahlkalender, wo Landtagswahlen als prioritär gesehen werden und durch Bundeswahlen tunlichst nicht gestört werden sollten.
Es braucht klare, berechenbare politische Strukturen
In entwickelten Demokratien sind Fragen wie Wahltermine aber auch Benennung von Ministerien im Zeitablauf konstant und hängen nicht vom Belieben der Akteure nach dem Motto "Machen wir jetzt noch ein Jahr weiter" oder "Es reicht!" ab. Auch werden Ministerien nicht beliebig umbenannt, um die Koalitionsverhandlungen in ein passendes personelles Korsett zu zwängen. Es soll hier nicht der Starrheit das Wort geredet werden, vielmehr ist Nachhaltigkeit gefragt - und nachhaltig ist, was nach wie vor hält, wenn alles rundherum schwankt.
Klare, berechenbare politische Strukturen bescheren den USA, aber auch der benachbarten Schweiz einen konstanten Wahlkalender über Jahrzehnte und ein funktionierendes, wenn auch oft konfliktträchtiges Zusammenwirken von Legislative, Judikative und Exekutive. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt ein Ausbrechen aus den Bundestagszyklen nur in seltensten Ausnahmefällen. Österreich hat eine Verlängerung der Nationalratsperiode beschlossen und schafft es nur mit größtem Aufwand und Angst vor der Öffentlichkeit, diese auch mit Inhalt zu füllen und auszusitzen.
"Rule of Law" erfordert Disziplin des Gesetzgebers
Steuerung über Gesetz und Normen - das ist die Voraussetzung der Führung von Komplexität, das lehrt uns schon der biblische Dekalog. Führung über Gesetz erfordert aber auch Disziplin der Führenden und nicht willkürliches Hineingreifen in die Speichen der Räder der Macht.
Will man von autoritativen Führungsfantasien wegkommen und den Weg von der Monarchie zur Demokratie überzeugend gehen, dann ist das, was man "Rule of Law" nennt, auch überzeugend zu praktizieren, mit stabilen Bezugsrahmen, wie Mandatslänge von politischen Akteuren, institutionellen Adressen der Verantwortlichkeit und Wahrnehmung von institutioneller Macht im Rahmen des legal Gebotenen und Verlangten.
Die Begegnung von Bund und Ländern im Rahmen einer Begegnung von Erwachsenen ist überfällig. Es gilt, mittels einer Staatsreform und einer Föderalismusreform widersinnige Regelungen zu reparieren. Moderne Governance wird sicher noch mehr Gewicht den Regionen und Kommunen zuordnen, denn das ist möglich und entspricht auch dem Wunsch der Menschen. Es ist aber auch der Wunsch der Menschen, dass alle Politiker vertragsgemäß arbeiten und nicht nur eine seichte Unterhaltung zum Thema "Machen wir weiter oder wählen wir?" bieten.
Für eine starke, aber schlanke Bundesebene bleibt viel zu tun - und das muss viel professioneller werden.