Präsidentenwahl in USA wird knapper als erwartet. | Obamas Erfolge nicht sichtbar. | Wien. Alan Draper hat den Blick für das Ungewöhnliche. "Drei Menschen waren die Wegbereiter von Barack Obamas Sieg bei den Präsidentenwahlen: Berry Gordy, Michael Jordan und Oprah Winfrey", analysierte der amerikanische Politologe bei einem Vortrag am Donnerstag in Wien.
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Der erste hat mit seinem Plattenlabel "Motown" schwarze Musiker wie Michael Jackson oder Stevie Wonder populär gemacht. Der zweite ist ein schwarzer Basketballheld und die dritte die berühmteste Talkmasterin der USA - ebenfalls eine Schwarze. Durch diese drei seien Afro-Amerikaner in der Gesellschaft etabliert worden und das ermöglichte den ersten Sieg eines Schwarzen bei den Präsidentenwahlen.
2012 stellt sich Barack Obama erneut der Präsidentenwahl, doch die Zeiten haben sich geändert. "2008 war wie das erste Rendezvous. 2012 haben wir Obama bereits im Badezimmer gesehen", der Reiz des Neuen ist weg, so der Vergleich Drapers. Entscheidend wird sein, ob Obama die Erstwähler treu bleiben, die ihn vor vier Jahren massenhaft unterstützt haben. Elf Prozent der Wähler von 2008 haben zum ersten Mal ihre Stimme abgegeben und davon gingen fast 70 Prozent an Obama.
Das größte Problem Obamas sei, dass seine großen Erfolge für die Bevölkerung nicht sichtbar sind. So seien etwa dank Obamas Finanzspritze für die Wirtschaft zwar Arbeitsplätze erhalten und die Wirtschaftskrise abgefedert worden, für den normalen Bürger sei dies aber nicht sichtbar.
Doch Obama muss nicht nur um seinen eigenen Sitz fürchten, denn es stehen ebenfalls Senatswahlen im nächsten Jahr an. Dabei geht es um 23 Sitze, die derzeit von Demokraten besetzt sind, und 10, die von Republikanern gehalten werden. Verlieren die Demokraten ihre Mehrheit im Senat und behalten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus, wäre der gesamte Kongress in republikanischer Hand. Dann wäre Obama selbst im Falle eines persönlichen Sieges in seiner Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt.
"Wiener Zeitung": Was ist 2012 anders als 2008? Alan Draper: Damals ging es darum, einen leeren Sitz zu erkämpfen. Die Wahl 2012 wird ein Referendum über Obama.
Auf welche Wähler wird sich Obama besonders konzentrieren müssen?
Auf die Unabhängigen. Die Basis der Parteien ist ziemlich gefestigt, es gibt kaum noch Wechselwähler.
Wie wird die Strategie der Republikaner aussehen?
Das wird sich auf zwei Ebenen abspielen. Die eine ist die Wirtschaft. Noch nie - zumindest nicht in neuerer Zeit - ist ein Präsident wiedergewählt worden, wenn die Arbeitslosenrate 7,2 Prozent überstiegen hat. Die wird bis 2012 garantiert nicht unter diesem Wert liegen. Die Republikaner werden zeigen wollen, dass Obamas Politik der Defizitfinanzierung fehlgeschlagen ist. Die andere Ebene ist der Kulturkampf. Die Republikaner versuchen Obama als unamerikanisch darzustellen, ohne in Rassismus zu schlittern.
War Obama mit seiner Politik - etwa im Fall der Gesundheitsreform - vielleicht tatsächlich zu unamerikanisch und eher europäisch?
Überhaupt nicht. Dieser Überlegung liegt die Vorstellung zugrunde, dass Amerikaner für freie Marktwirtschaft sind und dem Staat skeptisch gegenüberstehen. Das stimmt zwar bis zu einem gewissen Punkt. Aber Theorie und Praxis gehen hier auseinander. Eine Frau hat das in einem Interview einmal herrlich illustriert. Sie hat gesagt: "Obama soll die Finger von meiner Medicare (Krankenversicherung Anm.) lassen." Dabei ist doch Medicare ein staatliches Programm.
Was dürfen wir uns im internen Kampf der Republikaner erwarten?
Die Wähler der Vorwahlen unterscheiden sich sehr von den Wählern der Hauptwahl. Bei Ersteren versuchen die Kandidaten den harten Kern für sich zu gewinnen. Der ist es nämlich, der auch zur Vorwahl geht. Der republikanische Wähler bei den Vorwahlen ist viel konservativer als der Republikaner bei den regulären Wahlen. Die Kandidaten müssen daher zuerst einen radikalen Rechtskurs fahren und nach einem Sieg bei den Vorwahlen wieder die Kurve zur Mitte kriegen, um dort die Unabhängigen Wähler abzuholen.
Wie weit ist es denn möglich, ins Zentrum zu rücken, ohne die Anhänger der "Tea Party" zu verlieren?
Das ist natürlich eine Gefahr für jeden der republikanischen Kandidaten, dass er im rechten Eck gefangen bleibt.
Sarah Palin würde dort wohl freiwillig bleiben.
Palin ist ein erlöschender Stern. Sie hat das Vertrauen der konservativen Intellektuellen verloren. Das ist für sie ein riesiger Nachteil. Sie hat zwar eine starke Anhängerschaft, allerdings sind ihre Negativa auch stark ausgeprägt. Wenn man von den "Palinisten" absieht, ist ihre Glaubwürdigkeit bei der breiten Bevölkerung sehr niedrig.
Nach der Fernsehdebatte wurden die republikanischen Kandidaten mit den sieben Zwergen verglichen. Hat irgendeiner von ihnen überhaupt ausreichend Potenzial, Obama zu schlagen?
Die Kandidaten bringen zwar alle gewisse Vorbelastungen mit, die Republikaner haben aber dafür bereits 135 der 270 nötigen Wahlmännerstimmen in der Tasche. Egal, welcher Kandidat antritt, er hat vom Start weg die halbe Miete; da könnten die Republikaner sogar (die Comicfigur Anm.) Homer Simpson aufstellen.
Sie meinen, weil bestimmte Bundesstaaten so gut wie sicher an die Republikaner gehen werden?
Ja. Und dann gibt es noch Staaten, die Obama nur sehr schwer halten wird können. Ich wäre beispielsweise sehr überrascht, wenn er noch einmal in Indiana gewänne. Ich wäre sehr überrascht, wenn er Florida, North Carolina oder Virginia wieder gewänne, denn die waren bereits 2008 ein knappes Rennen. Wenn man das alles zusammenzählt, kommt man zu dem Schluss, dass das eine viel engere Entscheidung wird, als viele glauben. Wir könnten sogar eine Situation wie im Jahr 2000 haben, in der die Mehrheit der abgegebenen Stimmen an einen Kandidaten geht, die Mehrheit der Wahlmänner aber an einen anderen.
Zur Person
Alan Draper ist Professor für Politikwissenschaft an der St. Lawrence Universität in New York. Derzeit lehrt er als Gastprofessor an der Universität Innsbruck.