Zum Hauptinhalt springen

Die Rettung des Weltklimas rückt in immer weitere Ferne: Zentrale Streitpunkte völlig offen

Von Wolfgang Tucek

Analysen

Dass ein internationaler Vertrag zur Rettung des Weltklimas kein Spaziergang würde, war klar. Doch je näher die UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember rückt, desto offensichtlicher wird, wie winzig die Chancen sind. Nicht einmal darüber, ob das Ziel schriftlich im neuen Abkommen festgehalten werden soll, sind sich die verhandelnden Länder nach wochenlangen Vorverhandlungen in Bangkok einig.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Maximal zwei Grad Celsius dürfe sich die Erd-Atmosphäre erwärmen, damit Flut- und Sturmkatastrophen rund um den Globus nicht zur Tagesordnung werden, hatten die Wissenschafter im UNO-Klimabericht gewarnt. Dafür müssten die Treibhausgasemissionen der Erde bis 2050 um mindestens 80 Prozent reduziert werden. Zu immerhin 20 Prozent Minus bis 2020 hat sich die EU verpflichtet; 30 Prozent sollen es werden, wenn die anderen Industrie- und Schwellenländer mitziehen. Doch ob das im EU-Mandat für Kopenhagen erwähnt werden soll, darüber sind die Mitgliedstaaten völlig unterschiedlicher Meinung. Auch bei der Finanzierung der Klimaschutzkosten für die Entwicklungsländer möchten sich viele EU-Länder wie Deutschland aus taktischen Gründen nicht in die Karten sehen lassen. Kaum jemand glaubt, dass die Finanzminister bei ihrem Treffen heute, Dienstag, oder die Umweltminister morgen, Mittwoch, bei den vielen EU-internen Streitfragen Entscheidendes weiterbringen. Sie sollen zumindest die Anzahl der Punkte für die Regierungschefs ein wenig verringern, die beim EU-Gipfel Ende Oktober das Mandat für die Klimaverhandlungen festzurren sollen.

Doch die Finanzminister zaudern, ein von der EU-Kommission ausgearbeitetes Kostenmodell zu billigen. Denn bis 2020 würden die jährlichen Klimaschutzkosten für die Entwicklungsländer auf 100 Milliarden Euro pro Jahr angewachsen sein, prognostizieren die Experten von Umweltkommissar Stavros Dimas. Davon müssten bis zu 15 Milliarden von der EU kommen. Doch deren Diplomaten sind vorsichtig: Rasch könne eine solche Festlegung etwa von den USA oder China bloß als erstes Angebot verstanden werden. Erst müssten sich die anderen bewegen - ähnlich sehen das ihre Kollegen in Washington und Peking.

Zuvor müsse zudem noch die interne Lastenteilung geklärt werden, findet Deutschland - und ist dabei in guter Gesellschaft einiger westlicher EU-Länder. Sonst droht in Kopenhagen ein offener Schlagabtausch zwischen den EU-Mitgliedern anstatt zwischen der EU und den USA, China, Indien oder Brasilien. Polen etwa verursacht wegen seines hohen Kohleanteils im Energiemix noch recht heftige Emissionen, plädiert aber wegen seines Aufholbedarfs für moderate nationale Klimaschutzziele. Dass die Umweltminister das hinkriegen, erscheint unwahrscheinlich.

Ganz zu schweigen von Details: Soll der Schiffsverkehr stärker in die Pflicht genommen werden? Können große Waldflächen als Bonus geltend gemacht werden? Das würde Österreich und Schweden gut gefallen.

Dass im Dezember in Kopenhagen tatsächlich ein neues Abkommen für die Zeit nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012 unterzeichnet werden kann, glaubt fast niemand mehr. Als Erfolg würde schon gelten, wenn sich die 192 UNO-Mitglieder auf eine Einigung in Kernbereichen verständigen. Dann könnten die Experten die Details bis Sommer 2010 klären, lautet der derzeit optimistischste Zeitplan. Denn bei Kyoto wurde am Ende noch tagelang um ein paar Zeilen gefeilscht, wie ein Experte der EU-Kommission erklärte. Diesmal geht es noch um gute 100 Seiten.