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Die Revolution aus dem Weltall

Von Anke Wilde

Wissen
Unzählige Autofahrer verlassen sich schon auf das Navi in ihrem Fahrzeug.
© © © Tetra Images/Tetra Images/Corbis

Die Navigationssatelliten waren ursprünglich für das Militär gedacht.


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Berlin. Uhrzeit, Position auf der eigenen Erdumlaufbahn, ein Identifikationscode - bedenkt man, wie wenig Daten ein GPS-Satellit sendet, dann ist es erstaunlich, wie viel sich wissenschaftlich damit anfangen lässt. Mit Hilfe der Navigationssatelliten kann jeder Punkt auf der Erde hochgenau bestimmt werden. Das GPS und sein weniger bekanntes russisches Gegenstück Glonass haben in den vergangenen Jahren die gesamten Geowissenschaften umgekrempelt und Erkenntnisse über das System Erde ermöglicht, von denen man früher nur träumen konnte.

Dabei waren die Navigationssatelliten bei ihrer Erschaffung seit Ende der 70er Jahre in erster Linie für das Militär gedacht. Im Kalten Krieg sollten sich US-amerikanische Schiffe und Flugzeuge mitsamt ihren Waffensystemen über das GPS verorten können, auf sowjetischer Seite sollte Glonass Gleiches ermöglichen. Die Geoforscher allerdings haben sich von dieser militärischen Ausrichtung nicht sonderlich beirren lassen, auch nicht davon, welche Supermacht jeweils Betreiberin war. Die Systeme waren längst noch nicht voll funktionsfähig, da standen sie schon, und sei es mitten in der Nacht, mit ihren Geräten an den Messpunkten und warteten darauf, dass die Satelliten erschienen und ihnen ihre Signale sandten.

Am Dach des Potsdamer GeoForschungsZentrums (GFZ), in dem Jens Wickert, Leiter der Sektion für globale Navigationssysteme, arbeitet, befindet sich eine von mehr als 300 Referenzstationen weltweit, die im Netzwerk des International GNSS Service zusammenarbeiten. GNSS steht für globale Navigationssatellitensysteme. Dazu gehören nicht nur das GPS und Glonass, sondern auch das europäische Galileo und das chinesische Compass, die noch im Aufbau sind.

Geometer und Erdbeben

Zusätzlich zu der Station des GFZ in Potsdam unterhalten die Landesvermessungsanstalten in Deutschland etwa 350 eigene Referenzstationen. Denn längst schon arbeiten Vermesser, wenn sie etwa ein Grundstück für das Katasteramt vermessen, mit präzisen GNSS-Empfängern anstatt mit Tachymetern und Theodoliten, sofern das Gelände es erlaubt und nicht Hindernisse den Satellitenempfang stören. Die Positionen der Referenzstationen sind aufgrund der kontinuierlichen Messungen millimetergenau bekannt. Atmosphärische Einflüsse, die ebenfalls die Signale verfälschen, werden dort herausgerechnet, denn sie können laut Wickert einen Fehler um bis zu 100 Meter verursachen. Diese Korrekturen wiederum gehen in die mobilen Messungen ein, sodass Geometer in wenigen Minuten eine zentimetergenaue Ortsbestimmung vornehmen können.

Referenzstationen gewährleisten auch in Frühwarnsystemen für Erdbeben oder Vulkanausbrüche das nötige Maß an Genauigkeit. Selbst die Fernerkundungssatelliten verorten sich im Orbit via GPS. Das Funktionsprinzip ist im Grunde das gleiche wie im Auto. Ein GPS-Empfänger im Satelliten wertet die Signale der sichtbaren Navigationssatelliten aus. Mindestens vier sind erforderlich, um eine genaue Positionierung zu erreichen. Auf der Erde wie auch im Orbit sind es jedoch in der Regel deutlich mehr, denn derzeit ziehen mehr als dreißig GPS-Satelliten etwa 20.000 Kilometer über der Erde ihre Bahn und senden kontinuierlich ihre Daten.

Wenn da nicht noch die Fehlerquellen wären, die in der Atmosphäre lauern. Fernerkundungssatelliten sind ihnen kaum ausgeliefert, darum kann ihre Position fast auf den Zentimeter genau bestimmt werden, obwohl sie mit mehreren Kilometern pro Sekunde durch den Orbit rasen. Irdische Empfänger jedoch müssen die bremsenden und beugenden Einflüsse der geladenen Teilchen in der Ionosphäre und des Wasserdampfes in der Troposphäre auf die Signale der GNSS-Satelliten korrigieren. Das geschieht durch die Langzeitmessungen der Referenzstationen. Zudem senden die Satelliten auf zwei Frequenzen gleichzeitig. Weil die beiden Signale in der Atmosphäre unterschiedlich verändert werden, lassen sich deren Einflüsse auf das Signal herausrechnen.

Wettervorhersage zuverlässig

Doch was den Geometern noch vor wenigen Jahren ein Fluch gewesen ist, ist den Meteorologen heute ein Segen. Alle Wetterdienste nutzen inzwischen die unzähligen Messungen, die täglich weltweit mit GNSS-Stationen und Wettersatelliten getätigt werden, um das Geschehen in den Wolken und in der Ionosphäre zu verfolgen. Rückschlüsse auf Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit sind damit möglich. "Mittlerweile gibt es auch keine Ausreißer mehr in den Daten", freut sich Susanne Crewell, Professorin für Fernerkundung in der Meteorologie an der Universität Köln. Die Vorhersagemodelle für das Wetter seien zuverlässiger geworden als mit Radiosonden, die per Wetterballon gen Himmel geschickt werden.

Von dem entstehenden europäischen Navigationssystem Galileo erhofft sich Crewell noch genauere Daten. Galileo sendet seine Signale auf drei Frequenzen, sodass die atmosphärischen Einflüsse künftig noch besser zu bestimmen seien.

Auch bei GPS ist ein drittes Frequenzband geplant. Autofahrer und Wanderer können sich jedoch mit der zusätzlichen Frequenz nicht auf genauere Positionierungen freuen. Zwar verwenden GPS und Galileo für zivile Signale ein gemeinsames Frequenzband, sodass mit dem Ausbau von Galileo mehr Satelliten zu empfangen sind. Handelsübliche GPS-Empfänger sind aber nur auf diese eine Frequenz ausgerichtet. Ist also künftig auf freier Strecke die Verortung mit dem Navi ungenau, dann wird es wohl einfach am Wetter liegen.