Die Motivation der Mitarbeiter ist ein wertvolles Gut für Unternehmen. Deshalb lassen sich diese einiges dafür einfallen - von Chill-out-Zonen über Kletterwochenenden bis zur Elternteilzeit. Ein gutes Gehalt ist längst nicht mehr der große Motivationsfaktor, sondern die Balance zwischen Arbeit und Privatleben.
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VIP-Karten für das Fußball-EM-Finale, ein Raftingwochenende mit dem Vorstandsvorsitzenden, ein neuer funkelnder Dienstwagen, ein Kochduell mit den Kollegen aus der Buchhaltung oder ein Masseur, der ins Büro kommt - Unternehmen lassen sich viel einfallen, wenn es um die Motivation ihrer Mitarbeiter geht. Motivierte Mitarbeiter sind leistungsfähiger, belastbarer, sie erzählen Freunden und Familie von ihren Eindrücken und verstärken das Image des Unternehmens. Mit den Mitteln und Wegen, mit denen die Motivation positiv beeinflusst werden kann, beschäftigen sich Unternehmensberater, Personalabteilungen und Eventagenturen. Das spannende Kletterwochenende oder der Bonus am Ende des Jahres sind aber nicht die entscheidenden Faktoren für die Motivation eines Mitarbeiters - diese entsteht viel komplexer.
"Es gibt nicht den Golden Bullet, der Motivation verspricht", erklärt Robert Kremlicka, Geschäftsführer des Managementberatungsunternehmens A.T. Kearney in Österreich. Die Motivation beginne bereits bei der Aufgabe, die der Mitarbeiter erfüllt: "Sie muss sinnvoll und anspruchsvoll sein, sie soll auslasten und erkennbare Ergebnisse bringen, auf die man stolz sein kann." Wichtig sind außerdem das gute Image des Unternehmens, die Persönlichkeit des Chefs und die Kollegen: "Die Qualität der Kollegenbeziehungen hat auf die Motivation eine große Wirkung", erklärt Kremlicka. Die Gegenleistungen sind dann nur ein Teilfaktor der Motivation: das konstruktive Feedback und Lob des Chefs, und natürlich das Gehalt, am besten mit Fixbezügen und variablen Bonuszahlungen. Aber auch bei kleinerem Gehalt kann die Perspektive motivieren: Turnusärzte und Rechtsanwaltsanwärter arbeiten sehr viel für verhältnismäßig schlechte Entlohnung - allerdings mit der Perspektive, in ein paar Jahren wesentlich mehr zu verdienen.
Von entscheidender Wichtigkeit ist aber auch die Selbstmotivation des Mitarbeiters, seine "mentale Kondition", wie Kremlicka erklärt: "Es gibt Menschen, die in einem schwierigen Umfeld arbeiten und trotzdem jeden Tag mit glänzenden Augen ins Büro kommen und am Abend noch auf den Tennisplatz gehen." Menschen mit der Fähigkeit, "sich auch bei schwierigen Bedingungen am Schopf zu packen", sind in den Personalabteilungen der Unternehmen beliebt.
Ein schönes Büro oder ein Dienstwagen gehören mittlerweile in vielen Branchen selbst für junge Mitarbeiter zum Standard, damit ist die Extra-Motivation nicht mehr zu erreichen. "Motivationsmittel sollen vor allem Bindung und Zugehörigkeit erzeugen", erklärt Robert Kremlicka. Junge ließen sich dabei gerne von Statussymbolen blenden, und Personalabteilungen nützen diese Job-Garnierungen gerne, um das Image des Unternehmens am Arbeitsmarkt zu verstärken. Für die meisten Mitarbeiter sind aber Work-Life-Balance-Modelle, Weiterbildungsmöglichkeiten, Sabbaticals langfristig motivierender. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney bietet daher ihren Mitarbeitern ein Programm, das ihnen neben ihrer Karriere Freiraum, Flexibilität und Raum für Familie und Soziales bieten soll. Zu den Angeboten gehören etwa Teilzeitmodelle, eine Betreuungsagentur für die Pflege von Kindern oder älteren Menschen oder 20 Tage unbezahlter Urlaub pro Jahr zum Kräftetanken.
Work-Life-Balance-Modelle und Identifikation mit dem Unternehmen sind die großen Motivations-Motoren: "Je mehr Freiraum man für sich selbst hat, je mehr man in seinem Bereich entwickeln und entscheiden kann, umso motivierender ist das", sagt Christian Horn von "The Crew For You". "Je mehr oktroyiert und delegiert wird, umso demotivierender ist es. Der klassische Befehlsempfänger kann auf Dauer nicht motiviert sein. Da wird Arbeit zum Überlebenskampf." Da hat sich auch ein Paradigmenwechsel vollzogen, erklärt er: "Die jüngeren Menschen werden wesentlich kritischer gegenüber Arbeit. Die sind nicht mehr nur durch Geld motivierbar. Jetzt kommt es darauf an, dass ich etwas mache, was mir Spaß macht, wohinter ich stehen kann, womit ich mich identifizieren kann." Identifikation erfolgt auch über positive Erlebnisse, die Unternehmen ihren Mitarbeitern zugute kommen lassen. Firmenfeiern, Betriebsausflüge oder Sportaktivitäten haben den Zweck, Mitarbeiter zu motivieren und die Identifikation zu stärken. Petra und Christian Horn, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur "The Crew For You", die Events konzipiert und organisiert, haben die Beobachtung gemacht, dass Mitarbeiterveranstaltungen manchmal ins Leere gehen. Der Grund: "Viele Unternehmen setzen ihre Aktivitäten sehr alibimäßig ein. Diese verkümmern dann zu Informationsveranstaltungen, wo der Vorstand eineinhalb Stunden von der Kanzel predigt - und nachher sind alle froh, dass sie es hinter sich haben. Diese sogenannten Mitarbeiterveranstaltungen werden nicht als Belohnung wahrgenommen, sondern als lästige Verpflichtung", erklärt Christian Horn: "Wenn man Mitarbeiter-Motivationsveranstaltungen macht, muss man sich sehr genau überlegen, was man tut und kreativ sein. Die Mitarbeiter sollen für sich persönlich etwas Positives mitnehmen." Viele Unternehmen wollen in Incentives zu viele Nutzen hineinpacken und Firmeninhalte weitergeben - "damit entschärfen sie das Ziel, die Motivation der Mitarbeiter."
"Wenn Du eine Verbindung zum Unternehmen hast, kannst Du Dich besser entfalten und arbeitest motivierter", erklärt Petra Horn. Ob man dann im Klettergarten die Angst überwindet, Raften geht oder mit den Kollegen drei Wochen lang die Alpen überquert, ist fast nebensächlich: "Es geht immer um das Gleiche: gemeinsam an Grenzen zu gehen und gemeinsam Erfolg zu fühlen." Die Aktivitäten müssen dann nur noch zum Unternehmen passen und auf die Mitarbeiter zugeschnitten sein: "Wenn zwei Dinge gelingen, ist schon sehr viel erreicht: Wenn sich Mitarbeiter, die sich vorher nicht kannten, kennenlernen. Und wenn man das Incentive so gestaltet, dass der Einzelne und die Gruppe für sich persönlich etwas mitnehmen", sagt Christian Horn. Ein Mitarbeiter sollte sich an das Erlebte - den sportlichen Firmenausflug oder eine gelungene Feier - gerne zurückerinnern. Möglicherweise bleibt dann ein bereicherndes Erlebnis sogar stärker verankert als eine gute Gehaltserhöhung. Nebenbei werden Kontakte zwischen den Bereichen eines Unternehmens geknüpft: Der Buchhalter, der mit der Marketingchefin schon Fußball gespielt hat, wird schneller zum Hörer greifen, wenn es Kontaktschwierigkeiten zwischen den Abteilungen gibt. "Wenn man diese Basics erreicht, hat man im Vergleich zu vielen Mitarbeiter-Veranstaltungen sehr viel geschafft. Der Inhalt ist dann gar nicht so entscheidend, sondern wie es gemeint ist, ob es um den Mitarbeiter geht."
Besonders beliebte Incentives sind sportliche Aktivitäten: In lockerer Atmosphäre lernen sich die Mitarbeiter kennen, man überschreitet Grenzen oder misst sich mit anderen Teams. Ein gutes Beispiel ist der Drachenboot-Cup, der als Firmen-event in den letzten Jahren sehr erfolgreich ist und mehrere Marketing-Preise bekam. Firmen paddeln in Teams zu 20 Personen in chinesischen Drachenbooten um den Sieg, ein Trommler schlägt den Takt an. Die Botschaft ist sehr einfach: Man kommt nur gemeinsam voran, alle müssen an einem Strang ziehen, ein tonangebender Trommler gibt den Rhythmus vor, auf den man achten muss - man will gemeinsam gewinnen und Spaß haben. Nebenbei werden wieder Beziehungen gepflegt und Kontakte geknüpft.
Die Symbolik "Nur gemeinsam sind wir stark" gibt es auch in Klettergärten, wo ein Kollege den anderen sichert, Außergewöhnliches erlebt man etwa bei Husky-Schlittenrennen im Winter. "Interessante Incentives sind solche, zu denen man selber den Zugang nicht so einfach hat, die alleine nicht oder nur schwer machbar oder mit hohen Kosten verbunden sind", erzählt Petra Horn.
Motivation Arbeitsplatz. Wichtig für die Motivation ist aber auch nicht zuletzt die Gestaltung des Arbeitsplatzes: Der Suchmaschinen-Riese Google hat vor allem in seinen Anfangszeiten seinen Mitarbeitern auf dem Google-Campus fast so etwas wie einen Spielplatz für Erwachsene gebaut, mit bunten Möbeln, offenen Flächen und Rückzugsbereichen. "Jeder Mitarbeiter ist dort aufgefordert, 20 Prozent seiner Arbeitszeit mit Nachdenken zu verbringen", erzählt Petra Horn. "Das ist schon ein Modell der Zukunft, dass man die Mitarbeiter operativ etwas entlastet und Zeiträume zum Überlegen und Kreativsein schafft", meint Christian Horn: "Sonst bleibt viel Potenzial auf der Strecke. Jedes Unternehmen braucht Innovationen und Inputs. Und die fallen einem nicht so einfach ein, während man ein
E-Mail schreibt." Immer mehr Unternehmen setzen deshalb auf offenere Raumstrukturen, in denen Mitarbeiter auch locker und über Teams hinweg kommunizieren können. Procter & Gamble wurde kürzlich zum dritten Mal als "Österreichs bester Arbeitgeber" ausgezeichnet: Im Wiener Büro des Konsumgüterkonzerns wurde eine Chill-Out-Zone mit Kaffeehauscharakter eingerichtet, außerdem gibt es einen Relax-Raum, einen Wuzzlertisch für das Fußballspiel zwischendurch, Möglichkeiten zur Massage und Pilates in den Büroräumen in Kombination mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und Weiterbildungsangeboten.
Ob es nun die Elternteilzeit, der tägliche Obstkorb oder das Firmenskirennen ist, es ist wichtig für Unternehmen herauszufinden, wie sie ihre Mitarbeiter motivieren können. Vor allem in Krisenzeiten ist die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen ein unschätzbares Gut - auch wenn gerade in diesen Zeiten an Motivationsmaßnahmen gespart werden muss: "2009 haben Unternehmen einen Sturzflug in den Umsätzen gemacht und mussten an allen Kostenschrauben drehen", erklärt Robert Kremlicka von A.T. Kearney: Aus dem Firmenausflug mit dem Donauschiff wurde dann vielleicht ein Heurigenausflug. "Die Mitarbeiter empfinden das aber nicht als demotivierend, sie verstehen das." Vorausgesetzt, die Firmen haben es vorher verstanden, ihre Mitarbeiter an sich zu binden. Und ein gutes Gehalt reicht dafür längst nicht mehr aus.
Peter Zellmann: Die Zukunft der Arbeit. Viele werden etwas anderes tun. Verlag Molden ISBN: 978-3-85485-258-2 Preis: 19,95 Euro